Das Supertalentier - Lunas großer Auftritt
konnte, sondern auch schrecklich aussah: Auf ihrem dürren Körper saß ein dreieckiger Kopf
mit riesigen durchdringenden Augen
, und aus ihrem Mund ragten zwei scharfe, lange Zähne. Frau Mantis war eine strenge Direktorin. Wenn sie etwas anordnete, spurten nicht nur die Schüler, auch die Lehrer zogen meist die Fühler ein.
Kopfwackelnd und mit langen Schritten kam sie auf die Familie zu. Der General schlug die Hacken aneinander und legte die rechte Hand an die Stirn. »Frau Direktorin, Familie Bombardier vollzählig zur ersten Schulnacht angetreten.«
Yolanda tat es ihrem Mann nach, die Jungs ebenso. Nur Luna winkte und sagte leise: »Huhu!«
»Dann kommen Sie mal mit!«, befahl die Direktorin.
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging in die Schule. Familie Bombardier folgte ihr. Sie betraten die Empfangshalle, die größer war als ihr Haus, mit einer breiten Treppe an der Seite. Bienenwachskerzen an den Wänden erleuchteten den Raum und verbreiteten einen süßlichen Duft. Die Kinder schauten sich staunend in dem riesigen Raum um.
Ein grauer Ball hopste die Treppe herab und kullerte vor ihre Füße. Dort entrollte er sich und stand stramm.
»Darf ich vorstellen?«, sagte die Direktorin zu den Kindern. »Hausmeister Marziniak.«
»Mahlzeit!«, grüßte die Kellerassel.
»Führen Sie die Kinder in die Turnhalle zum Supertalentier-Kurs«, trug sie ihm auf. »Die Kollegen Bombardier und ich müssen noch ein paar Dinge für den Verkehrserziehungsunterricht besprechen.«
Der General grummelte leise in sich hinein. Er hatte bereits von dieser
albernen Talentshow
gehört, und er hielt überhaupt nichts davon. Im Leben ging es darum, unauffällig durch die Welt zu gehen und niemandem in die Quere zu kommen. Sich schutzlos vor lauter unbekannten Tieren auf eine hell beleuchtete Bühne zu stellen, war alles andere als unauffällig. Aber was sollte er machen? Den Anweisungen der Direktorin widersprach man nicht.
»Wenn’s sein muss«, knurrte er. »Aber benehmt euch!«
In jedem Insekt
steckt ein Talent
Als Luna und ihre Brüder die Turnhalle betraten, wussten sie gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollten. Überall krabbelten, turnten und flogen Insektenkinder umher.
Ein Schildkäferchen ging unter der Decke spazieren. Ein Floh und eine Heuschrecke übten sich im Hochsprung. Eine Blattschneiderameise lief einem
Wandelnden
Blatt
hinterher und wollte ihm einen Scherenschnitt verpassen. Zwei Hirschkäferjungs kämpften wie die Sumoringer miteinander. Eine Schnecke ruhte sich auf einer stacheligen Esskastanienschale aus. Daneben trainierten zwei Ameisen das Spurenlesen mit verbundenen Augen. Ein Grashüpfer und eine Steinfliege musizierten, und drei müde Waldorf-Bienchen tanzten den Text dazu.
In einer Ecke unter dem Dach webte eine junge Spinne ein Spruchband mit den Buchstaben »
Supertalentier
«. Und unter ihr am Boden knetete ein kleiner Mistkäfer an einer Kugel Dung.
Als der die Neuankömmlinge entdeckte, lief er zu den Geschwistern hinüber. Dabei ging er zu ihrer Verwunderung rückwärts auf den Händen und rollte dabei den Mistklumpen mit den Füßen vorweg.
»Hallo, ich bin Oskar. Erste Schulnacht?«, begrüßte er die vier. Und während er das sagte, wippten seine borstigen Antennen lustig auf und ab.
»Huhu, ich bin Luna. Und das sind meine Brüder Theo, Fritz und Alex.«
»Was hast du denn mit dem Klumpen vor?«, fragte Theo.
»Das wird ein Herz. Sieht man das etwa nicht?«, fragte Oskar verunsichert.
»Ah, na klar«, flunkerte Luna. »Toll!«
»Riecht aber nach . . .«, setzte Alex an, doch Luna stieß ihm einen Ellenbogen in die Seite.
Oskar lächelte gequält. »
Jaja, es ist Mist.
Bin ja auch ein Mistkäfer, haha. Wenn ich damit den zehnten Platz im Casting mache, bin ich glücklich.«
»In welchem Kasten denn?«, fragte Luna.
»Casting!«, erklärte Oskar. »Wir zeigen alle unser Talent, und die Irrwitz, das Stöckchen und der Marzipan suchen die zehn Besten aus. Die dürfen dann mit zum Supertalentier fliegen.«
»Echt? Sag bloß, ihr dürft dann alle bei DST auftreten«, staunte Luna.
»Quatsch. Bei DST dürfen nur die Großen mitmachen, sagt die Direx. Aber zehn von uns dürfen hinfliegen und zuschauen. Da will ich unbedingt dabei sein.«
»Und warum nur zehn?«, fragte Luna.
Angeblich konnten nicht mehr Kinder mit zur Show fliegen. In Wahrheit aber hasste Direktorin Mantis Ausflüge. Allein der Papierkram für die Einverständniserklärungen
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