Das Syndikat der Spinne
müssen uns etwas anderes einfallen lassen. Aber trotzdem müssen wir einen Versuch machen. Peter und Frank, ihr fahrt mal nach Weiterstadt und fragt am Eingang, ob außer Küchler noch jemand zu Gebhardt wollte. Mal sehen, ob ihr eine vernünftige Antwort kriegt.« Sie hielt kurz inne, schürzte die Lippen und fuhr dann fort: »Ansonsten könnt ihr alle ja auch mal ein bisschen mit überlegen. Ich fahre jetzt jedenfalls zu Wiesners Beerdigung. Anschließend treffe ich mich mit Laskin. Auf jeden Fall habe ich jetzt schon wieder die Schnauze gestrichen voll. Meine Herren, bis dann.«
Sie nahm ihre Tasche und verließ wortlos das Büro. Auf dem Gang zündete sie sich eine Gauloise an. Sie kochte innerlich vor ohnmächtigem Zorn und hätte gleichzeitig heulen können. Von unterwegs rief sie kurz bei Kuhn in der Redaktion an. Er saß an seinem Schreibtisch und sagte kaum hörbar, dass er sich die Datei, die Schulze für die Serie angelegt hatte, auf Diskette heruntergeladen habe und sie nachher zusammen mit einem Notebook mit nachHause bringe. Außerdem sagte er, dass die Serie erst mal auf Eis gelegt worden sei. Durant erzählte ihm noch nichts von Gebhardts mysteriösem Tod.
Freitag, 12.00 Uhr
Um zehn vor zwölf kam sie am Friedhof an. Sie stieg aus, der Himmel hatte sich zugezogen, aber es sah nicht so aus, als würde es bald anfangen zu regnen. Ramona Wiesner trug ein schwarzes Kostüm und unterhielt sich gerade mit ihrer Schwägerin, als sie die Kommissarin erblickte. Sie kam auf sie zu, sie begrüßten sich.
»Die Trauerfeier findet im engsten Familienkreis statt«, berichtete Ramona Wiesner. »Ich wollte das so. Sie können natürlich gerne bleiben.«
»Es ist eine dumme Frage, aber trotzdem, wie geht es Ihnen denn?«
»Das weiß ich erst, wenn alles vorüber ist. Lassen Sie uns doch nächste Woche mal einen Kaffee zusammen trinken.«
Thomas Wiesner stellte sich zu ihnen und sagte mit hochgezogener Stirn und arroganter Stimme: »Guten Tag, Frau Durant. Was macht denn die Polizei hier? Ist es dienstlich oder privat?«
»Ich war gerade in der Nähe und wusste, dass die Beisetzung Ihres Bruders jetzt ist. Da dachte ich, ich könnte …«
»Es ist aber ausdrücklich gesagt worden, dass die Feier nur im engsten Familienkreis stattfindet.«
»Thomas, bitte«, wurde er von Ramona Wiesner unterbrochen, »Kommissarin Durant wurde von mir persönlich eingeladen. Kommen Sie, gehen wir rein, umso schneller habe ich es hinter mir.«
»Gleich, ich würde Ihren Schwager gern noch kurz was fragen. Herr Wiesner?«
»Muss das ausgerechnet jetzt sein?«, sagte er sichtlich ungehalten.
»Ich wollte nur wissen, wann wir noch mal miteinander reden können. Würde es Ihnen vielleicht morgen im Laufe des Vormittags passen?«
»Meinetwegen. Aber rufen Sie vorher an. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.«
Julia Durant nahm auf der letzten Bank Platz. Der helle Sarg war über und über mit Blumen geschmückt, sie zählte mehr als dreißig Kränze und Gestecke. Außer Ramona Wiesner, ihrem Schwager und dessen Frau kannte sie keinen der Anwesenden. Es waren noch ein paar ältere Personen da, von denen Durant vermutete, dass es sich um die Schwiegereltern und vielleicht noch ein paar andere Verwandte von Andreas Wiesner handelte. Einer der Männer stand mit regungsloser Miene vor dem Sarg, drehte sich dann um und setzte sich in die erste Reihe. Zu Beginn wurde ein Teil aus der Pathétique von Tschaikowsky gespielt, anschließend trat der Pastor ans Pult und hielt eine kurze Rede. Danach erklang ein weiteres Stück aus der Sinfonie, und der Sarg wurde aus der Kapelle über den Weg zum Familiengrab gefahren. Julia Durant war erstaunt über die stolze Haltung, die Ramona Wiesner bewahrte. Die Kommissarin fand, sie war eine bewundernswerte Frau. Noch bevor alles zu Ende war, verabschiedete sie sich mit einer Geste von Ramona Wiesner und begab sich zu ihrem Auto. Sie wollte Laskin nicht warten lassen.
Freitag, 13.00 Uhr
Laskin hatte bereits einen Tisch in der Ecke ausgesucht, wo sie sich einigermaßen ungestört unterhalten konnten, und saß vor einem Glas Wasser. Er stand auf, als Julia Durant hereinkam, und reichte ihr die Hand. Das Steakhouse war wie immer um diese Zeit gut besucht. Die Kommissarin nahm Laskin gegenüber Platz.
»Was möchten Sie trinken?«, fragte er und sah Durant aus seinen dunklen Augen an. Er trug eine helle Sommerhose und ein weißes,kurzärmliges Hemd und machte einen durchtrainierten,
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