Das Syndikat der Spinne
Ich weiß nicht einmal, was er heute macht und wo er wohnt. Ich habe jedenfalls seitdem nichts mehr von ihm gehört. Wahrscheinlich ist er nach Israel zurückgegangen.«
»Und sonst gibt es niemanden in deinem Leben, dem du vertraust?«
»Doch, es gibt jemanden. Ich vertraue dir. Sonst hätte ich dir das alles nicht erzählt.«
»Und hättest du jemals mit Irina darüber gesprochen? Ich meine, angenommen, ich wäre deine Frau gewesen und jetzt tot und Irina deine beste Freundin, hättest du ihr das alles so erzählt, wie du es mir erzählt hast?«
Laskin schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Irina war anders als du. Sie war viel zu emotional, sie hätte nie begriffen, wie ich so etwas tun konnte. Und sie hätte nie verstanden, dass ich nicht ausgestiegen bin. Für sie gab es immer nur schwarz und weiß. Dazwischen existierte nichts. Auch aus diesem Grund habe ich nie ein Wort darüber verloren.«
»Und du denkst, ich bin anders?«
»Ich denke es nicht nur, ich weiß es. Es klingt makaber, aber jetzt, da Irina tot ist, kann ich zum ersten Mal offen mit jemandem darüber reden.«
»Aber du hast Angst, stimmt’s?«
»Natürlich habe ich Angst. Wer gesehen hat, was ich gesehen habe, muss Angst haben. Hier sind Mächte am Werk, gegen die wir keine Chance haben. Selbst die besten und engagiertesten Polizisten sind machtlos. Es gab vor einigen Jahren in Italien einen Richter, Giovanni Falcone, der sein Leben dem Kampf gegen die Mafia verschrieben hatte. Tausende und Abertausende von Menschen standen hinter ihm, denn sie wollten, dass dem unsäglichen Treiben der Mafia endlich ein Ende bereitet wurde. Doch ganz gleich, wie viele Menschen hinter einem stehen und für das Gute eintreten, es wird unter diesen auch immer welche geben, die Verräter sind. Das Ende war abzusehen, der Richter wurde von einer Bombe in die Luft gejagt, zusammen mit seiner Frau und ein paar Polizisten.« Er hielt inne und seufzte. »Es gibt schon längst kein Mittel mehr gegen diese Gewalt, weil eben diese Gewalt alles beherrscht. Und deshalb habe ich Angst. Ich habe aber weniger Angst um mein Leben als um deins. Das musst du mir glauben.« Laskin beugte sich nach vorn und griff nach Nataschas Hand. Er sah sie an und fuhr fort: »Natascha, es tut mir in der Seele weh zu wissen, dass Irina tot ist, das schwöre ich. Aber all die Jahre hinweg habe ich nur eine Frau geliebt, und das warst du. Und sollte ich das alles nicht überleben, dann sterbe ich wenigstens mit der Gewissheit, es dir gesagt zu haben.«
»Seltsam«, erwiderte Natascha, »irgendwie habe ich immer gespürt, dass du für mich mehr empfindest als nur Freundschaft. Docherst jetzt fallen mir einige Dinge ein, die ich aber gar nicht so bewusst registriert habe. Da wart ihr beide, du und Irina, und da war ich. Und das Letzte, was ich getan hätte, wäre, in eure Beziehung einzubrechen. Aber du hättest es ruhig sagen können …«
»Nein, das hätte Irina nicht verkraftet. Ich weiß, wie sehr sie mich geliebt hat, und wenn ich die Gelegenheit hätte, mich bei ihr zu entschuldigen, glaube mir, ich würde es sofort tun. Jetzt ist es zu spät. Ich hoffe, sie verzeiht mir trotzdem.«
»Da bin ich ganz sicher«, sagte Natascha lächelnd. »Und nun stehen wir das gemeinsam durch. Ich werde dir jedenfalls helfen, wo ich nur kann. Und wenn du nachher mit Frau Durant redest, dann sei einfach offen und ehrlich zu ihr. Versprichst du es mir?«
Laskin schüttelte den Kopf. »Nein. So einfach geht das nicht. Ich muss erst herausfinden, wo sie wirklich steht. Ich will die Fotos von Wiesner und Maric sehen, und ich werde ihr nochmals meine Hilfe anbieten. Ich weiß, dass ich den Namen Maric in irgendeinem Zusammenhang schon einmal gehört habe, aber ich kann mich einfach nicht mehr erinnern, in welchem. Wenn ich das Foto sehe, vielleicht kommt dann die Erinnerung wieder. Und was diese Kommissarin betrifft, da verlasse ich mich ganz und gar auf meine Intuition, die mir sagen wird, inwieweit ich ihr vertrauen kann.«
»Tu das«, erwiderte Natascha und sah ihm tief in die Augen, als würde sie eine Antwort auf eine unausgesprochene Frage suchen. »Das Leben schlägt manchmal die seltsamsten Kapriolen. Ich dachte, wenn du von Irinas Tod erfährst, dann würdest du völlig zusammenbrechen.«
»Ich bin zusammengebrochen, denn Irina hat mir sehr viel gegeben und auf eine gewisse Weise auch viel bedeutet. Und doch war es nicht wirklich das, was ich wollte. Ich weiß, dass ich das nur von
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