Das Syndikat der Spinne
sie mit einer Handbewegung. »Frau Durant, ich kann Ihren Ärger durchaus nachvollziehen, mir geht das genauso gegen den Strich, aber das ist eine Anweisung von ganz oben.«
»Inwiefern von ganz oben?«, fragte sie hellhörig geworden zurück.
»Blumenthal.«
»Was zum Teufel hat denn Blumenthal mit Wiesner zu tun?! Seit wann mischt sich ein Generalstaatsanwalt überhaupt in irgendwelche laufenden Ermittlungen ein?«
»Fragen Sie ihn doch, wenn Sie sich trauen.«
»Blumenthal will also, dass ich den Mord an Thomas Wiesner bearbeite. Gut, ich werde es tun. Aber der soll bloß nicht glauben, ich würde deshalb nicht auch bei den andern Fällen mitmischen. Sie bestimmenjetzt«, sagte sie und deutete mit einer Hand auf Berger, »wer die Ermittlungen in allen Mordfällen leitet.«
»Ich dachte mir schon, dass Sie genau damit kommen. Und ich habe selbstverständlich nicht vor, Sie in Ihren Ermittlungen zu beschneiden. Das ist doch ganz in Ihrem Sinn, oder?«
»Ich wusste, ich kann mich auf Sie verlassen«, sagte Durant erleichtert.
»Und ich will mich auf Sie verlassen können. Und jetzt kümmern Sie sich um Frau Wiesner.«
»Was ist mit der Soko Ruma?«, fragte Durant, bevor sie sich erhob.
»Die tun ihre Arbeit. Die klappern auch alles ab, was möglich ist, Nachbarn, Freunde, Bekannte, die Viten werden aufgearbeitet und so weiter. Aber bis jetzt gibt es noch keine brauchbaren Ergebnisse. Ich meine, wir haben inzwischen achtzig Mann im Einsatz, von denen sogar am Wochenende fast alle im Dienst sind. Und Müller kann auch noch keine Erfolge vorweisen.«
»Haben Sie was anderes erwartet?«, fragte sie spöttisch.
»Eigentlich nicht. Sagen Sie mir doch bitte, bevor Sie Frau Wiesner holen lassen, noch etwas zu diesem Freund von der Puschkin, Laskin oder wie immer er heißt.«
»Da gibt es nichts zu sagen. Er bleibt hier, bis die Beerdigung am Montag vorbei ist, und wird dann aller Voraussicht nach wieder zurück nach Köln fahren. Doch, beinahe hätte ich es vergessen, es gibt schon noch was. Laskin kannte Wiesner, und zwar den, der gestern ermordet wurde. Ich habe ihm ein Foto von Thomas Wiesner gezeigt. Aber er behauptet, ihn nur vom Sehen zu kennen. Genauer gesagt von einem Empfang, auf dem Laskin mit seiner Freundin Irina Puschkin, aber auch die Maric waren. Und damit wird die Sache immer klarer.«
»Was meinen Sie mit klarer?«
Julia Durant schaute auf die Uhr, überlegte, zuckte mit den Schultern, beugte sich nach vorn und nahm ein leeres Blatt Papier. Mit einem Stift schrieb sie die Namen darauf und zeichnete ein paar Striche.»Gehen wir doch mal ganz logisch vor. Thomas Wiesner im Vorstand einer Großbank, die Maric Juwelierin, die Puschkin Edelnutte und Laskin im Computerbereich tätig. Andreas Wiesner wurde von irgendjemandem reingelegt, vielleicht oder wahrscheinlich sogar von seinem eigenen Bruder. Aber Wiesner wusste nicht, dass sein Bruder ein Schwein war, und hat sich ihm anvertraut und ihm gesagt, dass er von der Mafia erpresst werde und das nicht mehr aushalte und vorhabe, zur Polizei zu gehen. Und wahrscheinlich hat er seinem Bruder auch noch haarklein erzählt, was man alles von ihm verlangte. Dass Andreas Wiesner zur Polizei ging, konnte der andere Wiesner, der auf Grund seiner exponierten Position als Banker geradezu prädestiniert war, Gelder zu waschen, aber unmöglich zulassen. Also hat er jemanden beauftragt, seinen Bruder kaltzumachen, bevor rauskommt, dass er hinter der Sauerei mit seinem Bruder steckt. Das ist natürlich erst mal nur eine Hypothese, die mir zwar schon gestern Abend kurz durch den Kopf geschossen ist, aber … Moment, gleich hab ich’s. Wiesner hat die Maric benutzt, um seinen Bruder reinzulegen. Der fingierte Uhrendeal muss über sie gelaufen sein. Nachdem die Maric erfahren hat, dass Andreas Wiesner tot ist, hat sie den fatalen Fehler gemacht, zu Thomas Wiesner zu gehen. Das würde auch ihren Anruf bei Wiesner unmittelbar nach unserem Besuch erklären. Vielleicht hat sie sich mit ihm getroffen, ohne zu wissen, dass Andreas Wiesner umgebracht wurde, weil wir ihr gesagt haben, er habe Selbstmord begangen, ihm aber trotzdem zu verstehen gegeben, dass ihr die ganze Sache zu heiß werde. Und dadurch wurde sie natürlich zu einem Risikofaktor – und somit auch gleich das nächste Opfer. Sollte meine Theorie stimmen, dann hat Thomas Wiesner mindestens drei Menschenleben auf dem Gewissen, unter anderem seinen eigenen Bruder. Nur, welche Rolle Laskin und die Puschkin dabei
Weitere Kostenlose Bücher