Das Syndikat der Spinne
seltsames Paar.«
»Hast du sie beobachtet, ich meine die Frau?«, fragte Hellmer, während sie aus Echzell hinausfuhren, Richtung Friedberg.
»Brauchte ich gar nicht, sie hat ja die ganze Zeit regungslos wie eine Statue dagesessen und uns beobachtet. Als ob sie uns sezieren wollte.«
»Genau den gleichen Eindruck hatte ich auch. Also halten wir fest, der eine Wiesner war Diamantenhändler und Juwelier, der andere Wiesner ist Banker, dazu noch im Vorstand einer der größten Banken. Könnte es da einen Zusammenhang geben?«
»Hab ich auch schon überlegt, aber welchen? Geldwäsche? Dann hätten sie zusammenarbeiten müssen.«
»Warum eigentlich nicht? Sie sind Brüder, zumindest waren sie es. Und für wen wäre es leichter, schmutzige Gelder zu waschen, als für einen einflussreichen Banker? Auch wenn das nichts mit unserm Fall zu tun hat, aber ich muss da automatisch an den Kopper von der Deutschen Bank denken, der bei der Schneideraffäre mal gesagt hat, ein paar hundert Millionen seien doch nur Peanuts. Doch wegen der paar Peanuts haben etliche Menschen ihre Existenz verloren oder sind an den Rand des Ruins gebracht worden. Ich weiß nicht, ich traue diesen Banktypen alles zu. Und je mächtiger sie sind …«
»Hoffen wir mal, dass wir Unrecht haben«, sagte Durant. »Und jetzt in die Wohnung von der Puschkin.«
Dienstag, 11.10 Uhr
Die Wohnung von Irina Puschkin befand sich im dritten Stock eines um die Jahrhundertwende errichteten, aber sehr gepflegten Hauses. Sie drückten sämtliche Klingelknöpfe, bis ihnen schließlich aufgemacht wurde. Eine vielleicht fünfundzwanzigjährige, sehr schlanke und groß gewachsene Frau mit langen blonden Haaren, knapp geschnittenen, kurzen Jeans und einem ebenso knapp geschnittenen Top kam ihnen aus dem zweiten Stock entgegen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit freundlichem Lächeln.
Hellmer hielt ihr seinen Ausweis hin. »Wir möchten eigentlich zu Frau Puschkin. Sie scheint aber nicht zu Hause zu sein. Kennen Sie sie?«
»Mehr vom Sehen. Wir haben auch ab und zu mal ein paar Belanglosigkeiten ausgetauscht, einmal hat sie sich bei mir ein Ei ausgeliehen. Was ist mit ihr?«
»Gibt es hier einen Hausmeister?«, wollte Julia Durant wissen, ohne die Frage zu beantworten.
»Ja, aber der ist für drei Häuser gleichzeitig zuständig.«
»Wo können wir ihn finden?«
»Er hat sein Büro im Haus nebenan. Sein Name ist Kuntze. Es kann aber sein, dass Sie ihn nicht antreffen, denn er arbeitet nur vier Stunden am Tag hier. Sonst ist er über seinen Pieper zu erreichen.«
»Das macht nichts. Wir gehen jetzt sowieso erst mal nach oben.«
Die junge Frau blickte ihnen nach, dann kehrte sie in ihre Wohnung zurück, und die Tür schnappte leise ins Schloss.
»Einbruchspuren kann ich keine erkennen«, sagte Hellmer. »Und mit einem Dietrich lässt sich das nicht knacken. Wir brauchen wohl doch den Hausmeister oder einen Schlüsseldienst.«
»Dann schau mal, ob du den Hausmeister auftreiben kannst, ich geh noch mal kurz zu der jungen Frau aus dem zweiten Stock. Die Wohnungen liegen ja direkt übereinander, vielleicht hat sie am Samstag etwas bemerkt.«
»Bin schon unterwegs.«
Julia Durant klingelte im zweiten Stock. Die junge Frau öffnete die Tür und blickte die Kommissarin stirnrunzelnd an.
»Ja?«
»Dürfte ich kurz reinkommen?«
»Bitte.« Sie machte die Tür frei und ließ die Kommissarin an sich vorbeitreten. Es war eine sehr großzügig geschnittene Wohnung mit hohen stuckverzierten Decken.
»Ich habe nur eine Frage. Waren Sie am Samstagnachmittag und -abend zu Hause?«
»Ja. Warum?«
»Haben Sie in der Wohnung über Ihnen etwas bemerkt? Auffällige Geräusche, Schritte, Stimmen?«
Die junge Frau überlegte und sagte schließlich: »Nein, ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt.«
»Hört man bei Ihnen, wenn oben jemand läuft? Wie ich sehe, haben Sie Parkettboden. Ich nehme an, das ist auch in den anderen Wohnungen so.«
»Manchmal hört man es schon, aber nur, wenn man nicht gerade Musik anhat oder der Fernseher läuft.«
»Es ist sehr wichtig. Versuchen Sie sich bitte an Samstag ab siebzehn Uhr zu erinnern. Hatten Sie das Gefühl, dass jemand dort gewesen ist? Oder haben Sie jemanden nach oben gehen hören oder gar jemanden gesehen, den sie hier noch nie zuvor zu Gesicht bekommen haben? Wie mich zum Beispiel?«
»Gesehen habe ich niemanden, doch es muss jemand in der Wohnung gewesen sein. Ich habe um halb acht ein Bad genommen, und da habe
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