Das Syndikat der Spinne
ich gehört, wie oben die Toilettenspülung betätigt wurde.«
»Das kann man hören?«
»Das Mauerwerk ist nicht besonders gut isoliert, es ist ein altes Haus. Aber ja, ich bin ganz sicher, da ist auch jemand gelaufen. Ich meine, es waren schwere Schritte.«
»Ganz sicher?«
»Sie bringen mich etwas durcheinander, aber ich bin ziemlich sicher. Es hat jedoch nicht lange gedauert. Ist irgendwas passiert?«
»Wir versuchen nur gerade einen Mordfall zu lösen.«
»Frau Puschkin? Ist sie tot?«
»Ja.«
»Das ist ja schrecklich. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann …«
»Sie haben mir schon geholfen. Vielen Dank.«
»Warten Sie«, rief die junge Frau ihr hinterher, »Frau Puschkin hat, soweit ich weiß, mit einer andern Frau zusammengewohnt. Zumindest habe ich die beiden einige Male zusammen gesehen.«
»Können Sie mir die andere Dame beschreiben?«
»Etwa einssiebzig, lange dunkle Haare, sehr schlank und das, was die meisten Männer unter rassig verstehen.«
»Kennen Sie auch ihren Namen?«
»Einmal sind sie gerade gekommen, als ich unten den Müll ausleerte. Sie sind bei den Briefkästen stehen geblieben und haben sich unterhalten, und dabei habe ich gehört, wie Frau Puschkin die andere mit Natascha angeredet hat.«
»Wann haben Sie diese Natascha zuletzt gesehen?«
»Kann ich nicht genau sagen. Ich war die ganze vergangene Woche unterwegs und bin erst am Samstag nach Hause gekommen. Und ich war auch am Sonntag und Montag nicht hier.«
»Könnte es dann nicht auch Natascha gewesen sein, die am Samstag oben in der Wohnung rumgelaufen ist.«
»Ja, aber die Schritte haben sich schwerer angehört. Wie die von einem Mann.«
»Wären Sie notfalls in der Lage, ein Phantombild von der andern Frau anfertigen zu lassen?«
»Unter Umständen ja. Doch ich habe sie nicht sehr oft gesehen, weil ich selten zu Hause bin. Ich arbeite als Model und bin fast ständig auf Reisen.«
»Als Model?«
»Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber ich arbeite als richtiges Model. Für Strumpfhosen, Kosmetikartikel und so weiter«, sagte sie lächelnd. »Sie haben Glück, dass Sie mich antreffen, denn ich habe heute und morgen zufällig frei, da ein Shooting verlegt wurde. Ansonsten bin ich kaum hier, weil mein Terminkalender einfach zu voll ist.«
»Was ist eigentlich mit den andern Bewohnern des Hauses? Hier gibt es insgesamt acht Parteien.«
»Ich weiß nur, dass im Erdgeschoss und mir gegenüber Stewardessen wohnen oder besser gesagt Flugbegleiterinnen, die auch nicht oft zu Hause sind. Über die andern kann ich nichts sagen, außer dass es hier im Haus meistens sehr ruhig ist.«
»Wenn wir kein Foto von dieser Natascha finden, melden wir uns wieder. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Hellmer kam mit dem Hausmeister zurück, gerade als Julia Durant die Wohnung der jungen Frau verließ.
»Herr Kuntze, meine Kollegin, Hauptkommissarin Durant.«
Kuntze nickte nur und ging vor ihnen die Treppe hoch. Er nahm den Schlüsselbund in die Hand, suchte nach dem passenden Schlüssel und sagte: »Das müsste er sein. Moment …« Er steckte ihn ins Schloss, drehte ihn zweimal, und dabei fiel Durant auf dem Namensschild an der Tür auf, dass neben I. Puschkin noch N.O. stand. »Voilà, Sie können eintreten.«
»Danke, wir brauchen Sie nicht mehr«, sagte die Kommissarin und ging mit Hellmer in die Wohnung. Nachdem sie die Tür geschlossen hatten, berichtete sie: »Die junge Frau, die uns vorhin aufgemacht hat, ist recht sicher, dass am Samstagabend jemand hier gewesen ist. Die Toilettenspülung wurde betätigt, und sie hat Schritte gehört. Und die Puschkin hat offensichtlich nicht allein gelebt. Die andere heißt Natascha, ihre Initialen stehen auch draußen auf dem Türschild. Sie scheint aber seit dem Wochenende wie vom Erdboden verschluckt.«
»Hast du was anderes erwartet?«, fragte Hellmer lakonisch.
»Dann lass uns mal sehen, wie sie gewohnt hat.«
Es war eine Dreizimmerwohnung mit einem kleinen Balkon, der zur Rückseite des Hauses zeigte. Die Einrichtung des Wohnzimmers war modern, ein paar Grünpflanzen auf der Fensterbank, eine Stereoanlage, ein Fernsehapparat, eine helle Couchgarnitur, ein Glastisch, auf dem zwei Kerzen und ein voller Aschenbecher standen, ein blauer Teppich und ein Beistelltisch mit einem Bild darauf, das zwei Frauen zeigte, Irina Puschkin und eine dunkelhaarige Frau mit rassigen Gesichtszügen, der Beschreibung der Nachbarin zufolge Natascha. Dann waren da noch ein kleines Bücherregal, eine
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