Das Syndikat der Spinne
exklusive antike Stehlampe und ein Telefon mit digitalem Anrufbeantworter. An einigen Stellen knarrte der Parkettboden unter ihren Füßen. Im Schlafzimmer befanden sich ein großes Bett, zweiNachtschränke und ein Kleiderschrank. Das dritte Zimmer war fast genauso eingerichtet wie das Schlafzimmer, nur dass hier alles in dunklem Blau gehalten war. Das Bad altmodisch-modern, ein paar Parfümflakons, zwei Bürsten, zwei Kämme, Schminkutensilien, ein Spiegelschrank. In der Küche ein Tisch und drei Stühle, in der Spüle zwei benutzte Teller und Tassen.
»Wenn tatsächlich jemand hier war, dann hat er keine Spuren hinterlassen. Und wenn er auf dem Klo war, dann höchstens, weil er mal dringend musste. Aber was hat er gesucht?«
Hellmer zuckte mit den Schultern. »Frag mich was Leichteres. Schauen wir mal, ob wir was finden, was ich aber ehrlich gesagt nicht glaube. Denn wenn es hier etwas zu finden gab, dann hat deroder diejenige es längst mitgenommen. Was immer es auch war.«
»Lass uns trotzdem ein bisschen stöbern«, sagte die Kommissarin.
Nach etwa einer halben Stunde gaben sie die Suche auf. Hellmer schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Was ist?«, fragte Durant und sah ihn an.
»Irgendwas fehlt, aber was?«
»Vielleicht ein Notizbuch? Wenn sie eine Prostituierte war, dann hat sie doch sicherlich genau Buch geführt über ihre Freier. Aber hier gibt es kein Notizbuch, keinen Terminplaner, nichts. Und was mir außerdem merkwürdig vorkommt, es scheint sie keiner zu vermissen. Hast du eigentlich schon den Anrufbeantworter abgehört?«
»Scheiße, nein, hab ich vergessen.« Hellmer drückte auf die Taste, sechs Nachrichten.
Samstag 17. Juni, 22.33 Uhr: »Hi, Irina hier ist Daniel. Ruf mich doch bitte an, wenn du wieder zu Hause bist.«
Sonntag, 18. Juni, 11.14 Uhr: »Hi, ich bin’s noch mal, Daniel. Wo steckst du denn? Ich wollte eigentlich heute wieder vorbeikommen, aber wenn du nicht da bist, spar ich mir den Weg. Ruf an, bitte. Oder Natascha, ruf du an und sag mir, wo Irina ist.«
Sonntag, 18. Juni, 17.27 Uhr: »Hi, schon wieder ich. Hab ich dirirgendwas getan, dass du dich nicht meldest? Nicht mal auf dem Handy kann ich dich oder Natascha erreichen. Mach’s gut und bis bald.«
Montag, 19. Juni, 9.12 Uhr: »Irina, bitte, ich versuch dich jetzt schon das ganze Wochenende über zu erreichen. Melde dich bitte, wenn du zu Hause bist. Und wenn du wieder das ganze Wochenende unterwegs warst, dann hättest du mir das wenigstens sagen können. Ciao.«
Montag, 19. Juni, 14.46 Uhr: »Irina, allmählich fange ich an, mir Sorgen zu machen. Du meldest dich nicht, und auch Natascha ruft nicht zurück. Wo seid ihr? Wenn du keinen Kontakt mehr zu mir wünschst, kannst du das ruhig sagen. Ich werde auf jeden Fall erst dann wieder zu dir kommen, wenn du dich gemeldet hast. Bis dann, Daniel.«
Dienstag, 20. Juni, 10.04 Uhr: »Ich bin’s, Natascha. Wollte nur kurz sagen, dass ich heute Mittag gegen eins zurückkomme. Ich erzähl dir alles nachher.«
»Die hatte also jemanden. Aber wer ist dieser Daniel? Er klingt verdammt besorgt.«
»Und auch ein bisschen sauer.«
»Aber er wird hier nicht auftauchen, bevor die Puschkin sich nicht bei ihm gemeldet hat. Ich werde das Gefühl nicht los, dass uns hier jemand gewaltig verarschen will. Andererseits wird mir die Sache allmählich unheimlich. Aber Natascha müsste eigentlich bald hier sein. Bin mal gespannt, was die uns zu sagen hat. Solange machen wir’s uns gemütlich.«
Dienstag, 13.05 Uhr
Julia Durant und Frank Hellmer hatten jeder eine Zigarette geraucht, die Asche jedoch nicht in den Aschenbecher, sondern in eine Untertasse geschnippt. Sie würden später die Spurensicherung kommen lassen, um die Wohnung zu untersuchen. Eswar kurz nach eins, als sie hörten, wie der Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde.
»Hallo, Irina, ich bin da!«
Die Tür wurde mit dem Absatz zugekickt.
»Irina? He, wo bist du, ich hab dir …«
Natascha kam ins Wohnzimmer, erblickte die beiden Fremden und erschrak. Ihre blauen Augen weiteten sich zuerst, dann verengten sie sich zu Schlitzen. Sie war etwa so groß wie Julia Durant, sehr schlank, aber an den entscheidenden Stellen wohlproportioniert, ihre Haut hatte einen angenehmen Bronzeton und ihre Stimme etwas Weiches, fast Zartes. Sie trug eine dünne gelbe Bluse, einen kurzen hellblauen Rock und Sandalen, alles Sachen, die man nicht in einem normalen Kaufhaus bekam, wie Julia Durant sofort erkannte. An ihrem linken
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