Das Syndikat
Drohvideo geschickt, irgendwelche Bedingungen genannt, eine Bombe war irgendwo in der Nähe hochgegangen, die Polizei hatte einen Hinweis auf Terroristen erhalten ... Silva ... ein Verrückter, ein Psychopath hatte sie im Visier ...
Die Angst trieb sie zu ihrer Tochter, um sich zu vergewissern, dass sie wohlbehalten im Schlafzimmer war.
»Mom?« Silva saß im Schneidersitz auf dem Bett.
»Ich wollte nur mal nachsehen, ob dir der Film gefällt«, sagte Darlene so ruhig wie möglich.
»Geht schon«, sagte Silva, »bleib doch da, Mom, wir könnten zusammen gucken.«
»Ach, Zuckerschnäuzchen«, das war ihr rausgerutscht, und beinahe hätte sie sogar eine Träne der Rührung – oder der Wut? Der Wut auf Syd? – nicht zurückhalten können, »ich kann jetzt nicht, aber wir schauen uns zusammen was an, später, ganz bestimmt.«
»Wann denn?«
»Mommie muss noch arbeiten.«
»Versprochen?«
»Aber sicher, versprochen.« Eilig verließ Darlene das Zimmer. Sie hasste es, ihrer Tochter falsche Versprechungen zu machen und sie immer wieder zu vertrösten. Sie atmete durch. Ich bin Darlene Redmond, ich habe keine Angst ...
Darlene, du musst jetzt ganz tapfer sein. Und dann war sie in dieses dunkle, stille Zimmer geführt worden, in dem ein süßlicher Geruch die Luft so schwer machte, dass man kaum atmen konnte. Kerzen flackerten, und die Vorhänge waren vor die Fenster gezogen. Dann sah sie das große schwarze Ding aus Holz. Da ist dein Dad drin. Er ist in ein Auto gelaufen. Sie wollte den Deckel aufklappen, machte sich an den Schließen zu schaffen, tobte, bis ihre Tante sie wegzog. Das ist ein Sarg, sagte sie, darin fliegt dein Dad in den Himmel. Jetzt bereitet er sich darauf vor, du darfst ihn nicht stören.
Darlene atmete tief durch und sagte zu Eric ruhig und gefasst: »Ich bin so weit.« Dann ging sie mit ihm und dem Agenten zum Aufzug, der mit ihnen hinunter in die Tiefgarage des Marriott glitt.
77
A 6, Grenoble-Brüssel
Die Eintönigkeit der Landschaft, die an ihr vorbeizog, beruhigte sie. Das Gespräch mit Nyström hatte sie aufgeregt, aber allmählich konnte sie wieder klar und nüchtern denken.
Es fing damit an, dass sie plötzlich einen Zusammenhang erkannt hatte: Mit welchem Datenbank- und Sicherheitssystem arbeitet eigentlich das CRSSA , hatte sie von Nyström wissen wollen, und er hatte ihr schnell die Antwort gegeben, die sie nicht überraschte: Die Überwachungskameras im CRSSA , die Datenbank, die Scanner – alles wurde mit Software von Legend betrieben. Und dann erinnerte sie sich an Nyströms Vorführung ganz am Anfang, die mit der U-Bahn-Überwachung, und sie erinnerte sich auch daran, was er über Legend gesagt hatte: Damit kennen wir uns super aus.
»Jemand hat sich ins CRSSA reingehackt«, hatte sie ihm erklärt, »hat die Sicherheitssysteme ausgeschaltet, damit so ein Überfall überhaupt stattfinden konnte. Was ist mit Lee oder Teecee?«
»He! Glaubst du, wir sind ein Haufen Verräter?«, hatte er sie angefahren. »Wer für Lanzelot arbeitet, ist loyal. Du solltest dein Misstrauen vielleicht mal auf was anderes lenken.«
Dann war noch etwas gefolgt, das sich auch jetzt noch, nachdem sie aufgelegt hatte, in ihrem Gehirn abspulte:
»Karen ... es gibt da noch etwas, das du vielleicht wissen solltest ...«
Hätte sie da Stopp sagen sollen? Nein, ich will nichts mehr von deinen Enthüllungen hören?
Ihr Vater, Major John Kelly, geboren am 3. Februar 1949 in Tampa, Florida, bekam mit zwölf Leukämie, wurde deshalb zwei Jahre lang behandelt: Operation, Chemotherapie, Bestrahlungen. Kurz vor seinem Einsatz 1982 machte er einen Check, denn er wollte heiraten und wissen, ob er zeugungsfähig war. Er war es nicht.
»Das ... das ist absurd, Nyström!« So einfach ließ sie sich ihre Welt nicht kaputt machen. Und dann hatte sie ihm ein paar Dinge an den Kopf geworfen. »Du brauchst Kontrolle über Menschen«, hatte sie gesagt, »du willst dich interessant machen, indem du Geheimnisse lüftest.«
»Karen, ich kann verstehen, dass du alles gegen mich wendest«, hatte er einlenken wollen, »aber wir wollten zusammen ...«
»Nein, wir wollten gar nichts zusammen! Ich wollte. Ich wollte die überlebenden Soldaten retten. Du nicht. Erinnerst du dich? Du wolltest nur mit deiner Story an die Öffentlichkeit. Du wolltest Geld machen, die Story an die meistbietende Zeitung verkaufen.«
»Was ist falsch daran, die Wahrheit zu verbreiten?«
»Nichts! Aber dir geht es nicht um die Wahrheit, Jens
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