Das Syndikat
nicht.
»Aber du kanntest mich doch kaum, Syd. Erst eine oder zwei Wochen, erinnerst du dich denn nicht?« Als er nichts erwiderte, kam ihr ein ungeheuerlicher Gedanke. »Sie haben mich ausgesucht für dich ... Ja? War es so? Syd! War es so?« Ihre Stimme war schrill geworden, und als er zu lange zögerte mit einer Antwort, wusste sie, dass sie recht hatte, dass es genau so gewesen war.
»Darlene«, sagte er schließlich, »ich liebe dich. Du bist der einzige Mensch, mit dem ich leben will. Und sie ... sie haben dir ein Leben ermöglicht, in dem du deine Fähigkeiten entfalten kannst, sie haben uns unserer Bestimmung zugeführt.«
Da war nur ein Nein, ein großes, lautes Nein in fetten schwarzen Buchstaben und mit tausend Ausrufezeichen dahinter. Alles in ihr sträubte sich gegen Syds Argumente, sie fühlte sich belogen, betrogen und manipuliert.
»Wir haben immer zusammengehalten«, redete er weiter auf sie ein, »wir lieben uns, ja?«
Fast hätte sie automatisch genickt, aber sie presste nur weiter das Telefon ans Ohr.
»Pass auf«, sagte er, »wir können die Situation für uns nutzen.« Ein wenig Begeisterung schwang auf einmal wieder mit in seiner Stimme, und sie dachte an seine Augen, wie sie leuchten konnten und wie ihr das immer gefallen hatte, aber jetzt erkannte sie es als das, was es war, als Mittel der Manipulation. »Die First Lady«, hörte sie ihn weiterreden, »wird in Europa von Terroristen bedroht. Sind wir in den USA dagegen gerüstet? Nein! Darlene, jetzt kriegen wir endlich die Sicherheitsmaßnahmen durch, die so wichtig sind: Telefonüberwachung, Internetkontrolle, bessere, umfangreiche digitale Kontrollen. Die Menschen werden das verstehen. Und wir, wir haben einen weiteren Terroranschlag verhindert. Darlene, das ist unsere Chance!«
Sie war sprachlos, Worte reichten nicht aus, um das zu beschreiben, was sie gerade empfand. Empörung? Entsetzen? Enttäuschung? Wut? Hass? Trauer? Verzweiflung?
»Darlene«, fing er wieder an, und der vorwurfsvolle Unterton entging ihr nicht, »ich liege gerade noch bei einunddreißig Prozent. Das ist nicht gerade die beste Voraussetzung für einen Sieg. Die Schuldenkrise ... Afghanistan ... aber jetzt können wir den Fokus auf etwas anderes richten. Amerika wird bedroht! In so einem Fall haben die Amerikaner schon immer zusammengestanden. Die Republikaner werden einlenken, und ich kann Stärke und Führungskraft demonstrieren.«
Er hatte seine Entscheidung getroffen – ohne sie. Wie immer öfter in letzter Zeit.
»Weißt du, was du von mir verlangst, Syd?«
»Darlene, glaub mir, diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Du stehst das durch. Du tust es für uns. Und für unser Land. Für ein vereintes, neues, starkes Amerika. Bitte, Darlene.«
Bitte, Darlene – mit diesen beiden Worten hatte er sie immer wieder auf ihr gemeinsames Ziel eingeschworen, den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen, und selbst wenn sie auf ihn wütend gewesen war, hatte sie sich gefügt und ihm vertraut. Daran dachte sie jetzt, und dann dachte sie wieder an Susan Weller. Alles, was nach der ersten Begegnung mit Syd geschehen war, war Täuschung gewesen ...
»Du hast es schon vorher gewusst«, sagte sie tonlos. »Es war alles geplant. Deshalb sollte ich mit Silva nach Brüssel ... Syd ... du hast Silva da mit reingezogen ...«
»Darlene, die Bakterien werden nicht freigesetzt, das Ganze ist nur fingiert ...«
All die Jahre hatte sie ein Leben gelebt, das von anderen für sie entworfen worden war, sogar ihr Stipendium war Betrug. Jetzt wusste sie nicht einmal mehr, wer sie wirklich war.
»Darlene? Bist du noch dran?«
»Was soll ich tun?«, hörte sie sich fragen.
»Du musst dich und Silva impfen lassen. Es wird im Fernsehen übertragen. Du gehst mit gutem Beispiel voran. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, hörst du? Darlene? Versprich mir, dass du mir vertraust.«
»Ja.«
»Sag es!«
»Ich vertraue dir.« Hatte sie das wirklich gesagt? Nein, die Darlene Redmond, wie sie bis vor einer halben Stunde existiert hatte, hatte das gesagt.
»Darlene, es gibt noch so viel zu tun. Wir müssen diese Wahlen gewinnen. Wir brauchen Zeit für all unsere Vorhaben! Das hast du doch selbst immer wieder gesagt! Das willst du doch auch ...!«
Sie hielt das Telefon noch immer in der Hand, als er schon längst aufgelegt hatte.
Diese Leute haben mein Studium bezahlt ... Er hatte immer behauptet, er habe ein Stipendium gewonnen.
Susan Weller war drei Tage vor Vergabe des
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