Das Syndikat
bitter auf und warf ihr Glas gegen die Wand.
Karen erschrak. Sie starrte auf die Scherben, die Eiswürfel rutschten über das Parkett. »Sie haben mich benutzt, damit sie ihren Krieg führen konnten!«
Vic eilte hinaus.
»Weißt du, wie verletzend das war, wie demütigend, als ich es herausgefunden habe, Karen? Und ich konnte nichts mehr tun! Ich konnte es nur noch vertuschen.« Vic kam mit einem Mülleimer und sammelte die Scherben ein. Karen hatte das Gefühl, als würde er das nicht zum ersten Mal tun.
»Es gibt immer eine Alternative«, sagte Karen so neutral wie möglich, aber es hörte sich lasch an, »das hast du mir doch eingebläut.« Sie trank den Rest und reichte Vic das Glas, der es nahm, als wäre er der Kellner.
»Es gab keine! Es wäre mein Todesurteil als Journalistin gewesen!« Je lebendiger ihre Mutter wurde, desto matter und kraftloser fühlte sie sich. So war es schon immer gewesen. Als sauge ihre Mutter alle Energie aus ihr heraus. »Weil es immer nur um deinen Job ging«, sagte sie und richtete sich auf.
»Das ist kein Job! Das ist eine Berufung! Das habe ich dir immer beizubringen versucht!« Die Lippen ihrer Mutter zitterten vor Aufregung, Karen konnte sich nicht erinnern, dass sie sie jemals so gesehen hatte. »Vic?«
Er kam mit zwei frisch gefüllten Gläsern.
Mein Gott, dachte Karen, das ist alles absurd. Sie nahm ihr Glas, dabei wollte sie nichts trinken.
»Danke, Liebster«, sagte ihre Mutter und streichelte Vic über den Arm.
Ich will das alles nicht sehen, dachte Karen und trank einen Schluck.
»Du sollst wissen, Liebes«, sagte ihre Mutter, »dass ich sehr stolz war, als ich das von deiner Auszeichnung hörte. Es tat mir so leid, dass ich dir noch nicht einmal gratulieren konnte.« Ihre Züge wurden weich. Etwas in Karen wollte ihre Mutter jetzt umarmen, ihr zu verstehen geben, dass sie ihr vergeben könnte, ach nein, dass sie alles vergessen könnte. Aber etwas anderes warnte sie davor, sich wieder einnehmen zu lassen von ihr. Also zuckte sie nur mit den Schultern.
»Du hättest es einfach tun sollen, Mom.«
»Glaub mir, ich hätte es getan, aber ...« Ihre Mutter trank das Glas halb leer und sah sie mit einem sentimentalen Blick an, doch wenige Augenblicke später verhärtete er sich schon wieder.
»Gut, nachdem wir das jetzt geklärt hätten, Vic, zeig ihr, was wir machen.«
Karen war erleichtert, als sie sich Vic zuwenden konnte.
»Wir haben eine Uni gegründet«, sagte er und führte sie ins Wohnzimmer. »Eine virtuelle.«
»Wir wollen neue Gesellschaftsformen entwickeln!«, rief ihre Mutter ihnen hinterher. »Eine wirkliche Demokratie! Nur so werden wir eine bessere Welt schaffen!«
Karen seufzte. Mit ihrer Leidenschaft – egal wofür – hatte sie schon immer alle mundtot gemacht. Sie sah sich im Zimmer um, das wahrscheinlich das Wohnzimmer war, jedenfalls lagen Sitzkissen und Decken herum, als würde jeden Augenblick ein Haufen Leute kommen zu einem Sit-in.
»Schläfst du mit ihr?«, fragte sie Vic und sah ihm herausfordernd in die Augen.
Er lächelte auf seine zurückhaltende Art. »Helen ist die tollste Frau, der ich je begegnet bin.«
Sie wartete, ob er noch etwas sagte, aber er nahm eine Fernbedienung in der Hand. »Die Uni ist im Netz. Im Cyberspace.« Ein leidenschaftliches Leuchten füllte seine Augen. »Wir wollen wissen, wer uns wirklich regiert, wer wirklich die Gesetze macht und vor allem, warum sie gemacht werden. Wer hinter den Firmen steht ... Du weißt schon, wer regiert Europa, wer regiert die Welt? Und dann ...«, er sah sie triumphierend an, »... dann werden wir das alles verändern.«
»Revolution«, bemerkte sie trocken, aber er lächelte nur, als hätte sie nichts verstanden, und schaltete den großen Flachbildschirm an der Wand hinter den weichen Sitzkissen mit den Decken ein.
92
Ein großes Schaubild mit Strichen und Pfeilen blendete auf, Karen konnte einzelne Namen erkennen, wie zum Beispiel WHO und Belling Group und Live ID , EU-Kommission und CIA. China stand da, Öl-Mafia und Bilderberger, Trilaterale Konferenz, Militärisch-Industrieller Komplex, Vatikan und NATO und Legend , und hieß das da oben rechts nicht Ku-Klux-Klan?
»Wir haben alle möglichen Verbindungen untersucht. Personalverbindungen oder anderweitige Abhängigkeiten. Du siehst, am Ende sind alle miteinander verstrickt, es ist ein dichtes Gewebe, ein Filz, ein ...«
»China und der Ku-Klux-Klan?«, fragte Karen ungläubig.
»Nicht direkt natürlich«, sagte
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