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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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weiter.
    Karen stand in einer großzügigen Diele und fragte sich wieder und wieder, ob das alles Wirklichkeit war. Vic, der junge Typ mit Rastamähne und Hornbrille, hatte sie sanft am Arm gezogen und hinter ihr die Tür geschlossen. Bunte und schwarz-weiße Graffiti schmückten die Wände, Hocker aus Rattan standen aufgereiht an den Wänden, als warteten sie auf Besucher, und unter einem üppigen Blumenarrangement an der Stirnseite qualmten Räucherstäbchen. Karen fühlte sich wie in einer Galerie für subversive Gegenwartskunst.
    »Ich musste meinen Namen ändern«, fing Helen Durban an – oder die Frau, die behauptete, ihre Mutter zu sein, was Karen immer noch nicht glauben konnte.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte sie. Sie nickte langsam, als Karen ihr das Foto zeigte. »Woher hast du das?«
    Es irritierte Karen, dass diese Frau genauso wie ihre Mutter sprach. Dieselbe akkurate Aussprache, derselbe amerikanisch gefärbte Klang. Und dieselben bestimmenden Gesten.
    »Aus dem Büro von HP Roth«, antwortete Karen benommen.
    »Roth?«
    Karen entdeckte ein kurzes Aufblitzen in den Augen von Helen Durban – so nannte sie die Frau im Moment noch.
    »Wer weiß außer dir, dass du hier bist?«
    Karen war sich nicht sicher, ob sie Lanzelot erwähnen sollte, aber während sie noch darüber nachdachte, ging Vic zur Tür, öffnete sie leise und warf einen Blick ins Treppenhaus. Dann schloss er sie wieder.
    »Vic und ich ...«, fing Helen Durban an, doch die pochenden Kopfschmerzen machten Karen taub, und ihr war in diesem Augenblick auch völlig egal, was diese Frau und Vic taten, sie spürte nur diese ohnmächtige Wut, die gleich überkochen würde und ihren Schädel zum Platzen zu bringen drohte.
    »Ist alles okay?«, fragte Helen besorgt.
    »Wieso hast du dich nie gemeldet, Mom? «, brach es aus Karen heraus, Mom , jetzt hatte sie tatsächlich Mom gesagt. »Weißt du, wie viele Monate, nein, wie viele Jahre ich darauf gewartet habe, dass du mich anrufst und mir erzählst, wie du von ... von Seeräubern, Kannibalen oder Delfinen gerettet worden bist? Oder wie du jahrelang auf einer einsamen Insel irgendwo im Pazifik herumvegetieren musstest, bis du endlich dein Floß gebaut hast? Wieso bist du überhaupt zum Tauchen gegangen? Ich habe auf einen Anruf der Polizei gewartet, die mir sagt, dass sie irgendwas von dir gefunden haben. Einen angenagten Oberschenkelknochen oder einen ... einen Arm. Deinen Kopf, das wollte ich mir nicht vorstellen. Kannst du das verstehen? Ich wollte endlich Gewissheit. Ich wollte dich beerdigen können! Aber dir war das natürlich völlig egal, du hast das einfach in Kauf genommen!«
    Ihre Kopfschmerzen explodierten. Sie griff sich an die Stirn und hörte ihre Mutter sagen:
    »Karen, bitte, ich erklär dir alles. Vic, hol uns was zu trinken.«
    Vic ging, und Karen stand weiter da, presste die Finger gegen die Schläfen und kämpfte gegen die Kopfschmerzen und gegen das Rumoren im Magen.

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    »Mein Plan ging schief.« Helen Durban, nein, Jane Burnett, also ihre Mutter, wie sich Karen immer wieder einreden musste, klopfte auf die bunte Marokko-Decke auf ihrem Schoß. »Dabei war es ein guter Plan. Nur der Hai war nicht vorgesehen.«
    Karen starrte auf die Decke, die ihre Mutter über die Oberschenkel gebreitet hatte, und jetzt fiel ihr auf, dass darunter nur ein Fuß, nur ein Schuh hervorschaute. Ihre Übelkeit wuchs.
    »Oberhalb des Knies abgerissen. Mitsamt Neoprenanzug!« Helen lachte auf. »Der Junge muss einen Riesenappetit gehabt haben. Wie du weißt, waren meine Waden nie sonderlich dick oder muskulös.«
    Karen versuchte ruhig zu atmen. Der Geruch der Räucherstäbchen machte sie schwindlig. Ein riesiges scharfzackiges Gebiss schoss auf sie zu ... Sie suchte Halt an der Wand.
    »Liebes? Alles in Ordnung?«
    Karen schluckte.
    »Entschuldige, ich hab dir noch gar keinen Platz angeboten.« Ihre Mutter lachte. »Das kommt davon, wenn man seinen Sessel immer dabei hat.«
    Karen ließ sich auf einen der Rattanhocker fallen. »Was für ein Plan?«, brachte sie mühsam heraus.
    »Von der Bildfläche zu verschwinden. Sie wollten mich beseitigen.«
    »Wer?« In ihren Ohren erhob sich ein Brausen, als wäre sie es, die in einen Ozean tauchte.
    »Vic! Wo bleibst du denn?«, rief ihre Mutter. »Ich glaube, ich muss dir was erklären.«
    Karen nickte schwach. Noch immer fühlte sich alles falsch an, unwirklich, wie in einem Albtraum.
    »Ich war jung«, sagte ihre Mutter und zupfte an ihrer Decke

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