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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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wieder bellte er kurz auf, meist dann, wenn Karen mit ihren Gedanken abgedriftet war, dann holte er sie wieder zurück in die Gegenwart. Und wenn Karen mit ihm sprach, wandte er ihr den Kopf zu oder klopfte mit dem Schwanz. Jetzt schüttelte er sich und kletterte wieder auf seinen Sitz.
    »Pass auf, Gibbs«, sie störte sich nicht mehr daran, dass sie mit ihm wie mit einem Menschen redete, »ich weiß nicht, was das hier wird, okay? Aber ich verspreche dir, dass wir danach einen langen Spaziergang machen.«
    Gibbs reagierte nicht, sondern sah aus dem Seitenfenster.
    »Spaziergänge sind nicht so dein Ding, verstanden. Mir fällt bestimmt was Besseres ein, versprochen.«
    Der Himmel in Frankfurt war grau, und als Karen das Fenster herunterließ, konnte sie die Autoabgase riechen. Sofort bekam sie Kopfschmerzen, sie hatte sich fast schon daran gewöhnt, in letzter Zeit plagten sie sie immer öfter. Genauso wie ihre uralten Albträume heftiger wurden. Die Tür, das gleißende Licht, der brennende Schmerz auf der Wange, der Geruch, Mickey Mouse, und irgendwann war noch eine endlose heiße Wüste dazugekommen oder etwas, das sie als Wüste interpretierte. Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft, diese Teile miteinander zu verbinden, einen Rahmen zu finden, in dem sie ein sinnvolles Ganzes bilden konnten. Und jedes Mal, wenn sie aufgeben musste, setzten die Kopfschmerzen ein.
    Jetzt könnte sie vielleicht das Wetter dafür verantwortlich machen, aber das wäre nur eine vorgeschobene Erklärung. In Wahrheit wusste sie ganz genau, was ihr Kopfschmerzen bereitete: die Begegnung, die ihr bevorstand ...
    Hansaallee 10 war ein stattlicher restaurierter Altbau, Fenster, Sockel und Balkons aus rotem Sandstein. Neben der Eingangstür fiel Karen das Schild einer Kanzlei auf. Sie parkte den Lexus in einer gerade frei werdenden Lücke. Auf der gegenüberliegenden Seite öffnete sich ein kleiner Park.
    Sie zögerte das Aussteigen hinaus.
    So sehr sie sich auch anstrengte, sie fand keine Erklärung, weder für die Ähnlichkeit noch für die Tatsache, dass Roth dieses Foto besaß. Aber gleich würde sich hoffentlich alles aufklären.
    Ein paar Minuten Aufschub gab sie sich, indem sie Gibbs zu den Bäumen führte, dann fand sie keinen Vorwand mehr, sie schloss ihn im Auto ein und ging zum Eingang.
    Tatsächlich. Durban stand an einem der Klingelschilder. Kein Geheimname, kein dubioser Firmenname, ganz einfach Durban .
    »Karen Burnett«, antwortete sie der männlichen Stimme am Türöffner. »Ich möchte zu Helen Durban.«
    Keine Antwort, nur ein Rauschen und dann ein Klicken.
    »Hallo?«, rief sie wieder.
    Wieder ein Rauschen und ein Klicken. Dann ertönte der Summer, und Karen drückte die Tür auf.
    Die ausgetretenen breiten Holzstufen knarrten, als sie sich der Wohnungstür näherte. Sie dachte an die Überraschung, die sie in Cortots Wohnung vorgefunden hatte, und blieb kurz stehen. Nein, sie würde jetzt nicht einfach umkehren. Sie ging weiter. Bis zur Tür. Sie war angelehnt.
    Karen schob sie auf und wich einen Schritt zurück, als ihr Blick auf die Frau mit den bis auf die Schulter fallenden grauen Haaren und dem bunten Siebzigerjahre-Strickpulli fiel. Sie spürte, wie der Boden unter ihren Füßen nachgab ...
    Es schockierte sie, dass diese Frau ihrer Mutter so ähnlich sah, es schockierte sie der starke Geruch nach Räucherstäbchen, der aus der Wohnung drang, und es schockierte sie der Rollstuhl, in dem die Frau saß. Am meisten aber schockierte sie die Begrüßung: »Hallo, Liebes!«
    Karen wollte etwas sagen, aber ihr war, als hätte sie plötzlich das Sprechen verlernt.
    Hinter der Frau im Rollstuhl, die gerade Hallo, Liebes gesagt hatte, tauchte ein junger Typ mit blonder Rastamähne, gestreiftem Hemd und kariertem Pullunder auf, er lächelte durch eine Hornbrille. Er sah aus wie zwanzig. Höchstens zweiundzwanzig.
    »Karen, das ist Vic, Vic, das ist Karen. Meine Tochter«, sagte die Frau im Rollstuhl, und Karen streckte mechanisch ihre Hand der von Vic entgegen. Karen. Meine Tochter. Ihre Knie drohten nachzugeben, sie musste sich an Vics Hand festhalten.
    »Hi, Karen. Helen hat mir viel von dir erzählt.« Er war mindestens fünfundzwanzig, wenn nicht gar dreißig Jahre jünger als diese Frau, die denselben durchdringenden Blick hatte wie ihre Mutter, denselben Leberfleck an der Schläfe, dieselbe vorspringende Nase, dasselbe überlegene Lächeln, dieselbe klare Stimme ...
    »Wieso ...«, fing Karen an, dann wusste sie nicht mehr

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