Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
Vom Netzwerk:
Bombenattentat in Brüssel über den Monitor. Rauch, der in den Nachthimmel stieg, Rettungswagen, Polizisten und eine vor Entsetzen stumme Menschenmenge, die sich an der Absperrung drängte.
    Die Kamera fing eine Überlebende ein, eine Frau, der man eine Decke umgehängt hatte.
    Vic drehte sich gerade eine neue Zigarette und leckte über das Zigarettenpapier, als die Kamera kurz das zerfetzte Schild des Restaurants streifte, auf dem nur noch oir zu erkennen war.
    »Scheiße!«
    Er schob die Brille höher und sah sich die Bilder noch einmal an. »Komm schon, sag, wie es heißt!«
    Nein. Nur oir. Sonst nichts.
    Er rollte mit dem Bürosessel in die Mitte des Raums, sodass er durch die Tür ins Wohnzimmer sehen konnte. »Helen! Scheiße! Komm her!«
    »Du sollst nicht immer Scheiße sagen!«, kam es müde und übel gelaunt zurück.
    Er verzichtete auf eine Entgegnung, denn in diesem Zustand war sie unerträglich, und er sagte stattdessen:
    »In Brüssel ist eine Bombe hochgegangen.«
    »Was?«
    Er war nicht sicher, ob sie begriff, was er gerade gesagt hatte. Sie war wieder mal in ihre Welt geflohen, in der sie sich für nichts zu interessieren schien außer für sich und ihre Vergangenheit, und es hätte keinen Sinn, sie gewaltsam zurückzuholen. Er würde nur ihre schlechte Laune abkriegen. Also rollte er mit seinem Bürosessel zurück an den Schreibtisch. Ruhe bewahren, sagte er sich. Vielleicht machte er sich umsonst Gedanken.
    oir konnte sonst was heißen, und obwohl er noch nie dort gewesen war, wusste er, dass es in Brüssel Hunderte, wenn nicht Tausende von Restaurants gab. oir ... könnte auch von voir kommen oder von au revoir , so viel Französisch konnte er.
    Irgendwo im Netz würden sie den Namen des Restaurants schon nennen. Hier: Der Newsticker von Focus online brachte die Meldung bereits.
    »Helen!« Jetzt sprang er auf und ging ins Wohnzimmer.
    Sie lag in eine Decke gehüllt auf den Sitzkissen und schlief tief, ihr Mund stand ein kleines bisschen offen. Unmöglich, sie zu wecken. Er beugte sich zu ihr, zog die Decke noch ein Stück höher, damit sie nicht fror, wenn sie aufwachte, und ging zurück zum Monitor. Dort rief er eine Handynummer an. »Geh ran, Kumpel!« Doch niemand nahm ab.
    Er steckte sich eine neue Zigarette an und sah auf die Uhr. Eine halbe Stunde würde er ihr noch geben, dann würde er sie wecken.

10
    Brüssel
    Wie viel Zeit verstrichen war, konnte Karen nicht einschätzen, erst allmählich verzog sich der Nebel, in dem sie sich verirrt hatte. Und als die Straße, die Polizeiwagen mit den kreisenden Sirenen, die Feuerwehrleute und Sanitäter in ihren rot leuchtenden Jacken wieder in klaren Umrissen vor ihr erschienen, tauchte auch das letzte Bild vor der Explosion wieder auf. David am Tisch. David, der ihr zuwinkte. Und über dieses letzte Bild legte sich ein weiteres: David, der von etwas getroffen wird, der nach hinten kippt ...
    »Karen!«
    Michael. Er lief durch die Absperrung auf sie zu, unendlich langsam, kam es ihr vor, und es schien, als müsse er nicht nur Raum überwinden, sondern auch Zeit, um sie zu erreichen. Er nahm sie in die Arme, aber das spürte sie nicht, denn sie war weit, weit weg. »Ich hab den BMW geholt, wollte heimfahren, doch ... Ich fahre am Lokal vorbei, ich weiß nicht, wieso ...«, hörte sie ihn sagen, »... Plötzlich höre ich die Explosion ... Ich dachte, du bist tot.«
    »David ist tot.« Ihre eigene Stimme klang ihr fremd in den Ohren. Und nicht nur die Stimme. David ist tot. Nein, das konnte nicht sein, aber dann, dann kamen sie doch, die schneidenden Schmerzen, sie nahmen ihr die Luft, rissen sie mit sich. Ein Polizist kam auf sie zu und wollte Fragen stellen. Sie war Michael dankbar, dass er ihn bat, morgen anzurufen.
    Aus dem Auto konnte sie Menschen sehen, die entsetzt in die rauchende Dunkelheit starrten, dorthin, wo sonst Laternen einladend leuchteten. Sie ließ sich tiefer in Michaels dicken Wintermantel sinken, doch der Geruch seines Rasierwassers störte sie, dabei hätte er sie doch trösten sollen, oder? Sie starrte aus dem Fenster. Alles sah so unwirklich aus. Und einen Augenblick lang machte sie sich vor, sie wäre im Kino gewesen.
    Der Mann da, mit dem Handy, war das nicht der von vorhin?
    Seine rötlich blonden Haare leuchteten im Scheinwerferlicht. Seine Augen hatten etwas Eindringliches gehabt, erinnerte sie sich.
    »Du musst unbedingt ins Krankenhaus ...«, hörte sie Michael sagen.
    »Nein.« Sie tastete mit ihrer nicht verbundenen

Weitere Kostenlose Bücher