Das Syndikat
gönnte er sich noch ein paar Gedanken an Málaga.
Eine schwarze Mercedes-Limousine hatte plötzlich zwischen den Taxen angehalten. Auf dem Pappschild, das der Fahrer hochhielt, erkannte er das Emblem: eine blaue Weltkugel, der blaue Planet Erde, sozusagen, den ein breiter goldener Ring – eher eine goldene Metallmanschette – umgab.
»Das erste Mal in Málaga?« Der Fahrer setzte die dunkle Sonnenbrille nicht ab.
Cortot nickte, es störte ihn, mehr noch, es verunsicherte ihn, wenn Menschen, mit denen er sprach, ihre Sonnenbrille aufbehielten. Aber hier, unter dieser Sonne, er blinzelte mit seinen ohnehin sonnenempfindlichen Augen hinter seiner Sonnenbrille, galten andere Gesetze.
Das, zum Beispiel, dass es kein Verrat war, wenn ein Mitarbeiter des Forschungsinstituts des französischen Verteidigungsministeriums, also er, dafür sorgte, dass ein Projekt vom Labor endlich in die klinische Phase wechselte. Würde man alle Vorschriften befolgen, alle Gremien durchlaufen, landesweit, europaweit, dann wäre man sicher noch fünf Jahre blockiert. Fünf lange Jahre, in denen ...
Ein »Guten Abend, Cortot!« riss ihn aus seiner sich immer tiefer grabenden Erinnerung. Es war Peyroux. Sie nickte ihm zu. Beinahe hätte er sie nicht erkannt, im Institut trug sie nie einen schwarzen Hosenanzug und auch keine Perlenohrringe. Er hob die Hand und lächelte zurück, aber da drehte sie sich schon drei geschniegelten Typen zu. Banker, dachte er, so lässig, wie die die Hände in ihren Taschen hatten und dabei breit grinsten, konnten das nur Banker sein. Rücksichtslos und großspurig, weil es ja nie um ihr eigenes Geld ging. Der Stachel der Wut bohrte sich schon wieder in sein Fleisch.
»Monsieur!« Der Kellner schon wieder. Lächelnd hielt er ihm ein Tablett unter die Nase, und Cortot hatte sofort den Verdacht, dass es eine versteckte Beleidigung sein sollte. Nur ein einziges Glas stand darauf. Ein Glas Sekt. Er murmelte etwas und nahm es – ohne dass es umfiel. Dann drehte er sich weg.
Wann könnte er endlich wieder nach Hause gehen? Auf seinem Nachttisch stapelten sich wissenschaftliche Zeitschriften, tagsüber kam er nie dazu, sie zu lesen. Und Thérèse mochte nicht, dass er im Bett las und stundenlang das Licht brennen ließ.
Wo war sie eigentlich? Mit wem unterhielt sich Thérèse, ohne ihn? Sie kannte hier doch niemanden, oder? Da hinten stand Leclerc, dieser Angeber. Es würde ihn nicht wundern, wenn der nur um ihn, seinen Chef, zu demütigen, mit Thérèse flirten würde. Entschlossen und mutig durch die Wut auf die Banker stellte er das alberne Glas einer gerade vorbeikommenden Bedienung aufs Tablett und bahnte sich den Weg durch die Menge, direkt und ohne Umwege. Das konnte er Leclerc nicht durchgehen lassen. Er würde sich was überlegen und ihm ein paar Überstunden aufbrummen, am nächsten Freitag zum Beispiel, freitags hatte der eitle Leclerc nämlich immer was vor.
»Ach, Dr. Cortot?«
Er fuhr herum und prallte zurück vor dem sympathisch aussehenden Herrn ihm gegenüber. »Oh ...?«, er begann zu stammeln, nein, mit ihm hatte er nicht gerechnet. »Ich ... ich hatte nicht erwartet, Sie hier ...«
»Wir kennen das ja, Verpflichtungen«, unterbrach ihn sein Gegenüber mit einer lässigen Handbewegung und verströmte beim Lächeln einen scharfen Pfefferminzgeruch.
Unvermittelt neigte sich der Mann zu ihm und sagte mit gedämpfter Stimme: »Ich habe für meinen Auftraggeber der Universität einen Scheck von anderthalb Millionen überreicht.«
Cortot nickte nur. Sein Gegenüber zwinkerte ihm zu. »Amüsieren Sie sich noch und grüßen Sie Ihre Frau.«
Cortot sah, wie er sich elegant durch die Menge bewegte und verschwand.
»Paul?« Thérèse! Sie kam doch tatsächlich auf ihn zu. Allein, nur mit einem Glas in der Hand. »Was ist denn mit dir los? Wer war das?«, fragte sie mit ihrem typischen müden Augenaufschlag, der ihm zeigte, dass sie genug getrunken hatte.
»Nichts, nur ein ehemaliger Kollege«, log er.
Umständlich drehte sie sich um und hielt sich dabei an seinem Arm fest. »Wer?«
»Du kennst ihn nicht. Thérèse, lass uns gehen, ich muss noch arbeiten.«
»Immer musst du arbeiten! Warum trinkst du nichts? Dann würdest du ein bisschen lockerer werden.«
»Thérèse, bitte ...« Er hielt den Atem an. Gleich würde es losgehen, dabei hatte er es unbedingt vermeiden wollen.
»Was bitte? «, fuhr sie ihn an. »Du bist langweilig! So unendlich langweilig, Paul!«
Leise stieß er einen Seufzer
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