Das Syndikat
verließ nach einem letzten, ein wenig wehmütigem Blick seine Unterkunft.
Mit großem Appetit lud er sich schon den zweiten Teller voll mit dem, was das reichhaltige Frühstücksbuffet zu bieten hatte. Eier mit Speck und Würstchen, Toast, Käse und zwei Stückchen Kuchen. Er saß allein an einem der Tische unter dem Tarnnetz, dort, wo gestern Vonnegut eine kurze Ansprache gehalten und auf die Impfung hingewiesen hatte. Weiter hinten hörte er Schüsse ballern und sah Staubwolken aufsteigen. Ein Teil in ihm wäre gern dort, bei den Männern, draußen, mit Waffe und schweren Stiefeln. Der andere Teil in ihm zuckte bei jedem Schuss zusammen und sehnte sich nach einem klimatisierten Hotelzimmer und nach der Sicherheit seines Labors.
Er fühlte sich zerrissen, nicht richtig lebendig, und währenddessen raste sein Leben dem Ende zu. Ja, er war erst einundvierzig, aber die vor ihm liegenden Jahre erschienen ihm wie ein Gang durch eine ewig lange leere Unterführung aus grauen Betonplatten, über der das wahre Leben hinwegbrauste.
Vonnegut hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen, er bedauere, sich nicht persönlich verabschieden zu können, aber er müsse schon um fünf Uhr morgens in Madrid sein.
»Na, gut gefrühstückt? Oder sind Sie lieber nüchtern geblieben?«
Mit dynamischem Schritt und gut gelaunt kam der Pilot aus der Baracke auf ihn zu. Braun gebrannt, gut in Form, mit blauen Augen und einem markanten Kinn, das Frauen angeblich so anziehend fanden. Cortot misslang ein Lächeln, er spürte, wie seine Züge erschlafften.
»Guten Morgen«, sagte er nur, stand auf und kletterte auf den Beifahrersitz.
Als der Helikopter abhob und wieder dieses schwankende Schweben begann, konnte er nicht anders, er musste zu der verfluchten Plastiktüte greifen. Und als er neben dem Piloten mit der Ray-Ban-Sonnenbrille sein Frühstück in die Tüte erbrach, begriff er sich selbst in seiner ganzen Jämmerlichkeit. Er fürchtete sich davor, ins Institut zurückzukehren.
Eine regelrechte Panik ergriff ihn. Er würde sich zwei Tage krankmelden müssen.
54
Und jetzt, im Nachhinein, wusste er, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.
Cortot schluckte gegen den Kloß in seiner ausgetrockneten Kehle an.
Unmöglich, würde er sagen. Verstehen Sie, ich bin nicht befugt. Die Abteilung Ansteckende Krankheiten untersteht mir nicht. Ich weiß auch nicht ... Ihre Anfrage ... nun ... es ist eine heikle und äußerst gefährliche Angelegenheit. Sie können nicht von mir verlangen, dass ich ... Dann spulte sich wieder dieselbe Information ab:
Normalerweise erfolgt die Ansteckung durch den Biss von infizierten Flöhen, verbreitet wird die Seuche von infizierten Ratten. Die dabei in der Regel auftretende Krankheitsform, die Beulenpest, ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Die Lungenpest hingegen ist hochinfektiös und durch Tröpfchen übertragbar. Aber YP 05/a ist ein Aerosol und hochinfektiös ...
Fünfhunderttausend Euro für vier Behälter.
Wir wissen, was Sie für die Belling Group in Spanien getan haben, Monsieur Cortot, hatte die Stimme am Telefon gesagt. Ihr Arbeitgeber und die französische Regierung werden nicht sehr erbaut sein, wenn sie erfahren, dass sie einen Verräter beschäftigen. Regierungen mögen es gar nicht, wenn man ihre Geheimnisse verrät. Wie nennt sich das? Hochverrat? Was glauben Sie, wie viele Jahre man Sie hinter Gitter bringen wird, Monsieur Cortot? Zwanzig? Fünfundzwanzig? Und die französischen Gefängnisse ...
Aber selbst wenn er sich dazu bereit erklären würde: Es gab Sicherheitspersonal, Überwachungskameras – und er leitete die betreffende Abteilung doch gar nicht!
Der Minutenzeiger auf der großen Wanduhr über der Labortür zitterte beim Weiterrücken, und er fühlte sich genauso erbärmlich wie damals im Helikopter, die Tüte auf dem Schoß.
Wie er sich hasste.
Er schwitzte und musste in immer kürzeren Abständen schlucken, er hatte das Gefühl, seine Kehle würde zuschwellen.
Und wenn er einfach Nein sagte? Und die Konsequenzen trug? Er würde sicher mildernde Umstände bekommen, weil er sich geweigert hatte, die Bakterien herauszugeben. Vielleicht also zehn Jahre? Himmel, zehn Jahre, noch nicht mal zehn Tage würde er ertragen in einem Gefängnis.
Nein, ich bin nicht zuständig, ich kann es nicht tun. Es tut mir leid. Suchen Sie sich jemand anders.
Ja, das wäre die einzige Lösung. Die Sache mit den Chips war etwas Einmaliges gewesen. Ab sofort würde er nie wieder
Weitere Kostenlose Bücher