Das Syndikat
würde kurz die Augen schließen, und wenn er sie öffnete, wäre ein Jahr vergangen, und er säße mit Thérèse auf der Terrasse ihres Hauses mit Meerblick, und sie würde ihm die Kirsche ihres Cocktails zwischen die Lippen stecken, ihm sagen, ich bin so stolz auf dich, und er würde sie packen und leidenschaftlich ...
Angst – Angst war der größte Gegner genialer Pläne, genialer Ideen und mutiger Taten, hatte Vonnegut ihm in ihrem Vorgespräch leidenschaftlich auseinandergesetzt. Auch Cortot war davon überzeugt. Nicht zuletzt deshalb, wegen dieser Übereinstimmung, hatte Cortot sich zur Zusammenarbeit entschlossen, abgesehen von der finanziellen Seite natürlich.
Grangé – genau, so hieß angeblich der gedrungene Belgier, daran erinnerte er sich, wahrscheinlich auch ein Tarnname wie seiner, Dr. Jeune. Bärenstark, fiel Cortot bei seinem Anblick ein, man musste ja nur mal seine baumstammfesten Unterarme betrachten.
»Sehen wir uns doch noch einmal das beeindruckende Video an, Grangé kennt es noch nicht«, hatte Vonnegut mit seiner amerikanischen Fröhlichkeit gesagt und bat ihn und Grangé in einen Container, in dem die Fenster verdunkelt waren und ein blauer Bildschirm leuchtete. Grangé nickte, aber man sah ihm an, dass er sich auf fremdem Terrain bewegte, und Cortot fragte sich, ob dieser Grangé in Wahrheit vielleicht auch Zivilist war. Allerdings trug Grangé die Uniform mit perfekter Selbstverständlichkeit ...
Cortot stöhnte, er merkte, dass er vor dem Fenster stehen geblieben war und auf den Parkplatz starrte.
Er hatte Grangé und Vonnegut das Video mit dem Mäuseversuch gezeigt. Jedes Bild sah er jetzt wieder vor sich.
Die Hände, die die weiße Maus hielten und ihr einen Chip in den Nacken schossen, gehörten Leclerc, den er zuerst nicht in seinem Team haben wollte, weil der lieber zuschaute, anstatt etwas zu tun. Doch inzwischen zögerte er nicht mehr, übernahm sogar freiwillig – mit überraschendem Eifer, wie Cortot neulich fand – das Töten der Mäuse, indem er ihnen mithilfe eines Kugelschreibers das Genick brach. Die Maus im Video zuckte und zappelte, doch Leclercs behandschuhte Hand hielt sie fest. Schließlich setzte er sie in den Käfig zu neun anderen geimpften Mäusen.
»Passen Sie auf, was jetzt geschieht«, hatte er, Cortot, stolz gesagt, worauf eine andere Hand, es war seine, ans andere Ende des relativ großen Käfigs eine Schlange setzte, die kleinste Boa constrictor, die sie hatten auftreiben können. »Jede Maus würde entweder in eine totenähnliche Starre verfallen oder fliehen«, erklärte er. Ein akustisches Signal ertönte, eine Folge von sechs Tönen, und die Mäuse, alle zehn – früher hatte Cortot diese Szene geliebt, jetzt nicht mehr –, stürzten sich in wilder Raserei auf die Schlange, die auf eine der Mäuse zuschoss und sie mit ihrem Körper umschlang, um sie zu erdrücken, aber die anderen Mäuse bissen in ihren Leib, rissen und zerrten Fleischstücke heraus, die Schlange zuckte und wand sich, ließ tatsächlich die erbeutete Maus wieder frei und versuchte zu fliehen, aber die wilden weißen Mäuse waren zu richtigen Killern geworden, immer rasender wurden ihre Angriffe, bis die Schlange schließlich in zwei Teile gebissen war.
»Erstaunlich«, hatte der Belgier mit einem – wie Cortot fand – angewiderten Ausdruck auf dem Gesicht gemeint, worauf er, Cortot, weiter doziert hatte:
»Die Tonfolge hat die Mikropumpe in den Chips aktiviert, und diese hat eine Hormon- und Medikamentenmischung in den Körper ausgeschüttet.«
»Und wie haben die Mäuse das überstanden?«, hatte der Belgier wissen wollen.
Cortot erinnerte sich, dass er nicht nur dessen herausforderndem Blick standgehalten, sondern ein selbstsicheres Lächeln aufgesetzt hatte. Er bewegte sich auf seinem Terrain, da konnte ihm keiner der Herren etwas vormachen, und sahen sie noch so imposant aus in ihren Uniformen. »Ein gleich im Anschluss freigesetzter Medikamentenmix«, sagte er also, »hat den Energie- und Hormonlevel sofort wieder normalisiert.« Breit lächelnd fügte er – allerdings nicht ganz wahrheitsgemäß – hinzu: »Sie leben heute noch.«
Die Wahrheit war: Vier Mäuse starben eine halbe Stunde nach dem Versuch an Herz-Kreislauf-Versagen, zwei versanken in Depression und rührten sich nicht mehr, eine andere schaffte es, sich aus dem Käfig zu Tode zu stürzen – ja, letztlich hatte nur eine überlebt. Warum, konnte selbst die Obduktion nicht klären. Doch Mäuse waren
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