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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schließen könne, änderte nichts daran.
    Sie und Dave stellten sich neben Nancys Bett und sahen ihr ein oder zwei Minuten lang still beim Atmen zu. Dann bürstete Virginia Nancys Haar und beklagte, dass das arme Mädchen immer blasser würde. Sie führte das darauf zurück, dass man sie nicht mehr in einem Rollstuhl ins Freie fahren könnte, weil sie mittlerweile ganz steif geworden sei und man ihr eine Magensonde gelegt habe, über die sie künstlich ernährt wurde.
    »Sie hat schon wieder diesen weißen Belag im Mund«, sagte Virginia zu Dave. »Hier, siehst du? Erinnerst du mich nachher daran, dass ich die Schwester nach der Lösung frage, mit der wir ihn eingepinselt haben?« Dann wandte sie sich an Nancy:
    »Hi, Nan, es ist alles okay. Davy ist hier.«
    Später kamen noch Nancys Eltern, Renn und Margie. Margie war eine rundliche, aber dennoch zerbrechlich wirkende und zurückhaltende Frau, die über ihrem altmodischen Kleid ein Polyester-Sweatshirt mit der Aufschrift »Falmouth on Old Cape Cod« trug. Ihr rotes Haar hatte sie mit einem Gummi achtlos im Nacken zusammengebunden. Renn war ein korpulenter, rotgesichtiger Mann, dessen viel zu enges, rotes Bowlinghemd seinen prallen Kugelbauch nur knapp bedeckte. 
    Auf der linken Hemdtasche war RENN eingestickt, und auf dem Rücken prangte der Schriftzug: RENN’S RAIDERS.
    »Ist unser kleines Mädchen schon aufgewacht?«, fragte Renn.
    Er bekam keine Antwort, was aber niemanden zu stören schien. Wahrscheinlich stellte er diese Frage immer, wenn er das Zimmer betrat, und würde sie solange stellen, wie man das, was früher einmal sein kleines Mädchen gewesen war, noch am Leben erhielt.
    Schwester Tiffany kam ins Zimmer und zog das Thermometer aus Nancys Achselhöhle.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Renn.
    »Ihr Blutdruck ist wieder normal«, sagte Tiffany. »Sie hat kein Fieber. Ihre Elektrolytwerte sind besser, seit die neue Magensonde gelegt wurde. Und sie produziert mehr Urin, das ist gut.«
    »Und was ist mit ihren wund gelegenen Stellen?«, fragte Virginia.
    »Sie wurden heute frisch versorgt, und die Dermatologen meinen, dass sie schon besser geworden sind.«
    »Machen sie immer noch Gehirntests mit ihr?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Tiffany. »Ich wüsste nicht, dass welche angeordnet wurden.«
    »Ganz am Anfang hieß es doch, dass man sie noch einmal operieren will«, meinte Renn. »Ist das noch immer geplant?«
    Ich sah, wie Virginia genervt durchatmete, als dächte sie:
    »Nicht das schon wieder!«, während Dave mit seinen leeren blauen Augen abwesend auf Nancy starrte.
    »Darüber sollten Sie lieber mit den Neurologen reden«, sagte Tiffany mit sanfter Stimme, »am besten mit Dr. Cantrell oder Dr. Mayfield.« Dann fügte sie in gespielt strengem Ton hinzu:
    »Haben Sie eigentlich die Liste schon fertig? Sie wissen schon, die Liste mit den Fragen, die Sie den Ärzten stellen wollten?« 
    »Ähm«, nuschelte Renn und scharrte unruhig mit den Füßen.
    Dass eine so natürliche, vor Lebenslust strotzende und dazu blendend aussehende junge Frau wie Tiffany so souverän mit Dingen wie dem Tod und unheilbaren Krankheiten umgehen konnte, machte ihn offenbar verlegen. Trotz ihrer Jugend waren grausame Schicksale für sie schon zur Routine geworden, und irreversible Hirnschäden waren ihr so vertraut wie anderen schimmliges Obst oder Laufmaschen in ihren Strümpfen.
    »Hat er die Fragen nun aufgeschrieben oder nicht?«, wollte sie von Margie in leicht tadelndem Ton wissen.
    Margie schüttelte den Kopf. »Er redet. Isst. Trinkt. Mehr nicht. Außer, dass er jeden Donnerstagabend zum Bowling geht.«
    »Und sie ist noch nicht aufgewacht, noch kein einziges Mal?«, fragte Renn Tiffany.
    »Doch, aufgewacht ist sie schon«, erklärte Tiffany. »Aber sie hat bisher noch auf niemanden reagiert.« Sie neigte den Kopf und hob ihre gezupften Augenbrauen. »Es tut mir wirklich Leid.«
    »Siehst du?«, sagte Renn zu Margie. »Sie wacht auf.
    Daran liegt es also nicht. Dann gibt es also doch noch Hoffnung«, fügte er hinzu.
    Margie fing leise zu weinen an.
    Virginia nahm Daves Hand.
    Tiffany war schon auf dem Weg nach draußen, als Renn ihr noch nachrief: »Sagen Sie den Ärzten, dass ich mit ihnen sprechen möchte. Und ich werde die Liste machen, okay?«
    »In Ordnung, Sir«, antwortete Tiffany. »Ich werde es ihnen ausrichten.«

 

DER CHANNELING-KRISTALL
    Obwohl der Vorhang noch immer halb geöffnet war, versuchte ich Mrs. Conlans Familie das Gefühl zu geben, mit

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