Das Tagebuch der Eleanor Druse
Schläfenlappen toben, dann fügen Sie Ihrem Gehirn irreparablen Schaden zu. Eine Operation ist immer die Ultima Ratio, deshalb würde ich Ihnen zunächst zu einer medikamentösen Therapie raten. Wenn wir die Krampfaktivität damit in den Griff bekommen, muss ich Ihren Schädel nicht öffnen und vor Ort nachsehen, weshalb Sie diese Anfälle haben.«
Die anderen Ärzte nickten feierlich und schienen mit allem einverstanden zu sein, was der medizinische Obergorilla von sich gab. Ob es mir gefiel oder nicht und ob Stegman nun ein arroganter Grobian, ein Genie oder beides war, ich musste der Tatsache ins Auge sehen, dass mindestens fünf Ärzte in einer der besten medizinischen Einrichtungen des Landes der Meinung waren, dass ich epileptische Anfälle hatte, die dringend einer Behandlung bedurften. Es war fast so, als hätte man mir soeben eröffnet, ich litte an einer multiplen Persönlichkeitsstörung und würde noch heute Nachmittag meine anderen Ichs kennen lernen.
Aber wie dem auch war, ich konnte die Gegenwart dieses eingebildeten Oberaffen nicht mehr länger ertragen, der, obwohl er über jedes einzelne meiner Krankheitssymptome Bescheid zu wissen schien, noch immer weder meinen Vor- noch meinen Nachnamen kannte und mich mit penetranter Regelmäßigkeit immer nur als »Madam« anredete.
»Habe ich Ihnen schon erzählt, dass sich der Dalai Lama brennend für Gehirnaufnahmen interessiert?«, fragte ich.
Dr. Stegman öffnete den Mund, sagte aber nichts. Zumindest hörte er auf, sich Notizen zu machen. Er hob eine Augenbraue und sah mich noch herablassender an als zuvor.
»Sehr interessant«, sagte er. »Madam, wir sind wissenschaftlich arbeitende Mediziner und fällen unsere Entscheidungen aufgrund zuverlässiger, durch sorgfältige Studien gewonnener Daten.«
»Es gibt aber auch wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Menschen religiöse Erfahrungen haben, wenn ihre Schläfenlappen durch Magnetfelder stimuliert werden«, konterte ich. »Letztes Jahr ist dazu sogar ein Sonderheft von Newsweek erschienen mit dem Titel: ›Religion und Gehirn‹.
Soll ich Ihnen ein Exemplar besorgen?«
»Es mag schon sein, dass manche Menschen bestimmte religiöse Erfahrungen machen«, antwortete Stegman. »Aber das kümmert mich nicht. Ich weiß zum Beispiel, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass etwa zwanzig Millionen Amerikaner an einem Freitag, dem dreizehnten weder auf Reisen gehen noch irgendwelche wichtigen Dinge erledigen.
Aber bedeutet das etwa zwangsläufig, dass Freitag, der dreizehnte tatsächlich ein Unglückstag ist?«
»Ich glaube, dass die Aufnahmen von meinem Gehirn beweisen, dass ich ein starkes religiöses Erlebnis hatte, Dr. Stegman. Und mein Glaube ist sehr stark.«
»Sie glauben«, höhnte er. »Ihr Glaube ist sehr stark. Erinnern Sie mich doch mal bei Gelegenheit daran, dass ich Sie durch unsere psychiatrische Abteilung führe, Madam. Da kann ich Sie dann mit dem Hutmacher, dem Märzhasen und Rumpelstilzchen bekannt machen, die alle leidenschaftlich an dieses oder jenes glauben. Das beweist doch überhaupt nichts.«
Dr. Ekelpaket wartete nicht mal meine Antwort ab, sondern stand auf, zog ein Diktiergerät aus der Tasche und ging, gefolgt von Metzger, zur Tür. Im Gehen sprach er in das kleine Gerät: »Schädeltrauma, Zimmer 959, Bett zwei.«
Dr. Metzger eilte zurück zu meinem Bett und hob die daran befestigte Karte mit meinem Namen in die Höhe, damit Stegman sie lesen konnte. » Mrs. Eleanor Druse. Überweisung an Dr. Metzger zur Therapie mit Antiepileptika sowie zur psychogeriatrischen Begutachtung, um Altersdemenz auszuschließen. Möglicherweise ist die Verabreichung antihalluzinatorischer Medikamente in Betracht zu ziehen.
Patientin hatte klinisch nicht manifeste Temporallappenkrämpfe, die mittels EEG aufgezeichnet wurden. Festgestellte Symptome: Entpersonalisierung, Gedankenflucht, Realitätsverlust, optische und akustische Halluzinationen, Agitiertheit, Hypergraphie, vernachlässigte Körperpflege und religiöse Einbildungen, entsprechend einer Schläfenlappenpersönlichkeit. Vielen Dank, dass Sie diese interessante Patientin zu uns überwiesen haben.«
DER BRAND
Bobby fuhr zurück nach Lewiston und arbeitete drei Tage lang im Kingdom, aber danach überraschte er mich, indem er einen Tag Urlaub nahm und mich besuchte. Was war er doch für ein guter Junge! Wie rührend er sich um seine alte Mutter kümmerte! Er brachte mir sogar ein Glas von meinem hawaiianischen
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