Das Tal der Angst
einem zum anderen.
»Tut mir leid, wenn ich Ihre Beratungen störe«, sagte er, »aber Sie sollten mal das Neueste hören.«
»Eine Festnahme?«
»Das leider nicht. Aber man hat sein Fahrrad gefunden. Der Kerl hat sein Fahrrad zurückgelassen. Kommen Sie und sehen Sie sich’s an. Es steht keine hundert Yards vom Eingang entfernt.«
Wir fanden drei oder vier Knechte und Müßiggänger vor, die an der Auffahrt standen und ein Fahrrad inspizierten, welches man aus einem Immergrüngebüsch gezogen hatte, worin es versteckt gewesen war. Es handelte sich um ein ziemlich abgenutztes
Rudge-Whitworth –
mit Spritzflecken, wie nach einer recht langen Fahrt. Eine Satteltasche mit Schraubenschlüssel und Ölkännchen war vorhanden; aber kein Hinweis auf den Eigentümer.
»Für die Polizei wäre es eine große Hilfe«, sagte der Inspektor, »wenn diese Dinger numeriert und registriert würden. Aber wir müssen dankbar sein für das, was wir haben. Wenn wir schon nicht herausfinden können, wohin er gegangen ist, so kriegen wir wahrscheinlich wenigstens raus, woher er gekommen ist. Aber was um Himmels willen hat den Kerl veranlaßt, es zurückzulassen? Und wie um alles in der Welt ist er ohne es abgehauen? In die Sache läßt sich anscheinend noch immer kein Fünkchen Licht bringen, Mr. Holmes.«
»Wirklich nicht?« antwortete mein Freund gedankenvoll. »Mal sehen!«
5. Die Personen des Dramas
»Haben Sie vom Arbeitszimmer alles gesehen, was Sie sehen wollten?« fragte White Mason, als wir das Haus wieder betraten.
»Vorläufig ja«, sagte der Inspektor, und Holmes nickte.
»Dann würden Sie jetzt vielleicht gern die Aussagen einiger Leute vom Haus hören? Wir könnten das Speisezimmer benutzen, Ames. Kommen Sie bitte zuerst und erzählen Sie uns, was Sie wissen.«
Der Bericht des Butlers war einfach und klar; er vermittelte einen überzeugenden Eindruck von Aufrichtigkeit. Er sei vor fünf Jahren, gleich als Mr. Douglas nach Birlstone kam, eingestellt worden. Er wisse, daß Mr. Douglas ein reicher Gentleman sei, der sein Geld in Amerika gemacht habe. Er sei ein freundlicher und rücksichtsvoller Brotherr gewesen – vielleicht nicht ganz so einer, wie er, Ames, es gewohnt gewesen sei, aber man könne nicht alles haben. Niemals habe er irgendwelche Zeichen von Furcht an Mr. Douglas bemerkt – im Gegenteil, er sei der furchtloseste Mann gewesen, den er je kennengelernt habe. Er habe Anweisung gegeben, jeden Abend die Zugbrücke hochzuziehen, weil das ein überlieferter Brauch des alten Hauses war und er die alten Sitten aufrechterhalten wollte. Mr. Douglas sei selten nach London gefahren – ebenso selten habe er das Dorf verlassen; allerdings habe er am Tag vor dem Verbrechen in Tunbridge Wells Einkäufe gemacht. Er, Ames, habe an diesem Tag eine gewisse Unruhe und Gereiztheit an Mr. Douglas beobachtet, er habe nämlich ungeduldig und leicht erregbar gewirkt, was bei ihm ungewöhnlich gewesen sei. An jenem Abend sei er, Ames, noch nicht zu Bett gegangen, sondern habe sich in der Geschirrkammer hinten im Haus aufgehalten und eben das Silber weggeräumt, als er ein ungestümes Klingeln der Glocke vernommen habe. Er habe keinen Schuß gehört; aber das sei auch kaum möglich, da die Geschirrkammer und die Küchen sich im hintersten Teil des Hauses befanden und mehrere verschlossene Türen sowie ein langer Flur dazwischen lägen. Die Haushälterin sei, vom ungestümen Klingeln aufgeschreckt, aus ihrem Zimmer gekommen. Sie seien beide zusammen in den vorderen Teil gegangen. Am Fuß der Treppe angelangt, habe er Mrs. Douglas herunterkommen sehen. Nein, sie sei nicht in Eile gewesen – sonderlich beunruhigt sei sie ihm nicht vorgekommen. Just als sie den Treppenfuß erreicht habe, sei Mr. Barker aus dem Arbeitszimmer gestürzt. Er habe Mrs. Douglas aufgehalten und sie gebeten, zurückzugehen.
»Um Gottes willen, gehen Sie in Ihr Zimmer zurück!« habe er gerufen. »Der arme Jack ist tot. Sie können nichts mehr tun. Um Gottes willen, gehen Sie zurück!«
Nach einiger Überredung auf der Treppe sei Mrs. Douglas wieder hinaufgegangen. Sie habe nicht geschrien. Kein einziger Ausruf sei zu hören gewesen. Mrs. Allen, die Haushälterin, habe sie nach oben gebracht und sei bei ihr im Schlafzimmer geblieben. Er, Ames, und Mr. Barker seien dann in das Arbeitszimmer zurückgekehrt, wo sie alles genau so vorgefunden hätten, wie es die Polizei gesehen habe. Die Kerze sei zu diesem Zeitpunkt nicht angezündet gewesen, aber die Lampe
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