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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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Deckenbalken aufstieg und deren Spalte allmählich mit einer dunkelbraunen Masse füllte. »Bist du beim Arzt gewesen? Du solltest es tun, Wilderer.«
    »Zur Hölle mit dem Arzt! Ärzte allein können Krankheiten in alten Bäumen nicht heilen.«
    Das Mädchen schnaufte verärgert. »Du solltest eigentlich im Bett liegen. So alt bist du noch gar nicht«, sagte sie und beugte sich zum Feuer hinunter. »Man hat dich nur vernachlässigt. Du lebst wie ein Tier.« Sie hockte mit katzengleichen, geschwungenen Hüften am Kamin und schürte das Feuer. Die Flammen loderten auf, beleuchteten die gelbbraunen Wände und enthüllten den Ruß zahlloser Winter. Sie erhob sich, ging zum Fenster und schaute hinaus. »Eine Wildnis! Du solltest sehen, wie mein Vater seinen Garten pflegt. Du kümmerst dich um nichts anderes als um dieses alte Gewehr, Wilderer. Es wird von großem Nutzen sein, wenn sie dich begraben.« Er schob seinen Sessel zurück, und sie sagte, sich schnell herumdrehend: »Bleib sitzen! Ich kümmere mich um alles.«
    »Laß mich in Ruhe, Mädchen.«
    »Erst wenn dein Essen fertig ist! Mein Gott, diese Spülküche!«
    Es wurde zunehmend dunkler, und Kine, des Wartens überdrüssig, suchte unruhig die Gegend ab. Auf der Rückseite des Häuschens lag der Hof verlassen da, begrenzt von einer baufälligen Waschküche und stachligen Stechpalmen, dahinter weites, gepflügtes Ackerland. Kine lauschte. Aus dem Haus konnte er das Geklapper von Töpfen und Pfannen hören, aus der Ferne Treckergeräusche. Wie jeden Abend zwitscherten die Spatzen aufgeregt durcheinander. Der Wasserhahn am Ende einer Steigleitung tropfte. Es war ein ungesunder Ort, durchsetzt mit dem Gestank von Wilderers Küchenabfällen; mißtrauisch beobachtete Kine alles. Einen Moment zögerte er noch, dann schritt er vorwärts, hörte den spitzen Schrei und erreichte die Stechpalme mit einem einzigen Satz.
    »Iiih!« Eine unheilschwangere Gestalt überquerte den Hof, braun und massig, verfolgt von dem Aufschrei des Mädchens, »Iiih! Eine Ratte, Wilderer, eine große Ratte!«
    »Zur Hölle mit dem Raubzeug!«
    »Das hättest du wohl gerne! Mich wundert überhaupt nicht, daß sich das Raubzeug an einem solchen Ort aufhält.«
    »Laß den Hund auf sie los!«
    Kine kletterte höher in die Stechpalme hinein, zischte leise und blickte gut versteckt zwischen die stachligen Blätter hindurch. Es entstand eine Stille, in der das Tropfen des Wasserhahns fünf gleichmäßige Schläge angab, dann öffnete sich eine Tür, und Wilderers Terrier zerriß die Dämmerung mit scharfem Gebell. Kines Lippen kräuselten sich. Inmitten des dunkel schimmernden Stechpalmengebüschs hielt er seine Ungeduld zurück, als der Hund versuchte, die Witterung aufzunehmen. Der Terrier verhielt sich rowdyhaft. Minutenlang jaulte er vermutete Schlupfwinkel an, kratzte mit seinen Pfoten an Rissen und Spalten herum, bis er vor Enttäuschung anfing zu winseln und zurückgerufen wurde. Kine streckte sich vorsichtig aus. Der Polarstern war aufgegangen; der Hof lag völlig ruhig da. Seine Krallen schärfend, summte Kine bösartig vor sich hin.
    »Der Hund ist ein Narr, Wieselscheu, Kine aber nicht. Alles, was ich wollte, war eine falsche Bewegung, ein unachtsamer Schritt, und du hast ihn getan. Du hättest weglaufen sollen, Fallenausweicher. Du hättest verschwinden sollen, bevor der Hund kam. Statt dessen hast du dich versteckt, wo der Hund dich nicht erreichen konnte. Du bist zu listig gewesen. Das ist deine falsche Bewegung gewesen, ein verhängnisvoller Schritt.«
    Er sprang von der Stechpalme herunter, hüpfte flink um den Hof herum und triumphierte nach Wieselmanier, indem er seinen Tanz aufführte. Die Spatzen redeten wirr durcheinander. Vom Dach aus sahen sie herunter, und Kine, von seinem Publikum angespornt, legte sich mächtig ins Zeug. Das Zwielicht versah sein Fell mit einem kastanienbraunen Glanz. Das Weiß seiner Unterseite trat im Halbdunkel stärker hervor, und seine Augen leuchteten bernsteinfarben. Kine spielte sich auf, doch auch als er herumsprang, blieben diese glänzenden Augen unerschütterlich auf das Loch in der Waschküchenwand gerichtet. Neben der Steigleitung war für den Abfluß ein einzelner Ziegelstein entfernt worden, und dort, das wußte Kine, war die Ratte hineingeschlüpft. Sie befand sich in der Waschküche. Er richtete seinen Gesang an sie.
    »Tchk – chk. Die Ratte ist schlau, aber Kine ist noch schlauer. Die Ratte ist groß, aber Kine ist flinker. Eine

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