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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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davon erfüllt. Der alte Vogel blickte mißmutig auf die angrenzenden Felder, wo die Mutterschafe grasten. Der starknackige Widder drängte sich rücksichtslos zwischen sie. Er trug ein Geschirr und einen Farbblock, mit dem er die Weibchen markierte, wenn er sie besprang; somit konnten sie dann vom Schäfer registriert werden. Soviel zur Romantik des Frühlings!
    Der Wächter dachte über sein eigenes Schicksal nach: eine wollüstige Gemahlin, ein schamloser Nachbar; bald würden die unersättlichen Früchte ihrer Leidenschaft aus den Eierschalen hervorbrechen. Seine brütende Partnerin und die Jungen zu füttern schien für ihn eine nahezu unlösbare Aufgabe zu sein. Junge Saatkrähen verlangten nach dem feuchten Eiweiß der Regenwürmer und Schnakenlarven; um sie heranzuschaffen, würde er sich von morgens bis abends ohne Unterbrechung abmühen müssen. Er war zu alt, um eine weitere Elternschaft zu übernehmen, sagte er sich – und zu alt, um solche Fremdlinge wie dieses Wiesel hier mit Geduld zu ertragen.
    »Wie kommst du überhaupt darauf, daß sie dich will?« fragte er gereizt. »Kia ist mit Kine zusammen. Es ist sein Revier.«
    »Damit werde ich schon klarkommen. Was für eine Art Wiesel ist denn dieser Kine?«
    »Ein kleiner Raufbold, so wie du. Etwas eingebildet, ein selbstsicherer Typ.« Der Wächter erzählte es mit Genuß. »Er kämpft gerne.«
    »Ich werde ihm das Fell über die Ohren ziehen. Du weißt gar nicht, wie ein Kampf auf unserer Seite aussieht. Sumpfwiesel kommen schon kämpfend zur Welt. Ich bin von den zähen Angehörigen des Sumpfclans aufgezogen und von den Auseinandersetzungen in dem Grenzgebiet abgehärtet worden. Ich kämpfe gegen alles, jederzeit und überall. Ich werde deinen Kine fertigmachen. Sie wird ihn loswerden.«
    »Dafür wird sie sich nicht gerade bei dir bedanken; sie mag diesen Idioten nämlich. Ich würde sagen, daß ihr Zustand besorgniserregend geworden ist.«
    »Das würdest du sagen?« Ford lachte spöttisch. »Ich würde folgendes sagen, Saatkrähe – ich würde sagen, daß sie sich dem Sieger anschließen und glücklich sein wird. Wenn er mir über den Weg gelaufen ist, wird er für nichts mehr zu gebrauchen sein, am wenigsten für Kia. Du wirst sehen, sie wird stolz auf mich sein.«
    »Vielleicht.« Der Wächter bezweifelte es. Doch die zu erwartende Auseinandersetzung belebte ihn. Er hatte nichts dagegen, wenn sich irgendwelche Wiesel die Hölle heiß machten. Er hatte Wiesel gegeneinander kämpfen gesehen, und selbst bei den Siegern verschwand dann die Überheblichkeit etwas. Nichts konnte sie auseinanderbringen, wenn sie um ein Weibchen oder um ein Revier stritten. Ein Mensch konnte zu den raufenden Wieseln hingehen, und sie würden ihn in ihrer blinden Wut nicht beachten. Aber Kia hatte andere Vorstellungen. Ihr Traum bestand in der Einheit der Wiesel, ein Gedanke, der so fern lag wie die Nächstenliebe der Nerze, doch sie hielt daran fest. »Kia hat ihren eigenen Kopf«, sagte die Saatkrähe. »Du kannst ihr nichts vorschreiben.«
    »Kia ist wundervoll. Es gibt keine Wieselin, die so feinfühlig und gleichzeitig so robust, so sanft und doch so feurig ist. Keine andere ist so geschmeidig. Ich habe sie gesehen, umherstreifende Weibchen, sie waren mit ihr nicht zu vergleichen. Sie ist eine tanzende Schönheit, eine rote Flamme. Einzigartig«, schwärmte Ford leidenschaftlich. »Deshalb werde ich für sie töten. Ich werde Kine erledigen, das Herz aus seiner Brust reißen, und die Krähen werden ein Festmahl abhalten.« Er strahlte Selbstvertrauen aus. Das Unwetter hatte sich in einen weit entfernten, düsteren Fleck verwandelt; ab und zu war das Krachen der automatischen Vogelscheuche zu hören. Mit großem Behagen holte Ford Luft, dann stieß er grimmig hervor: »Ich werde ihn abschlachten!«
    »Das ist Liebe!« sagte der Wächter. Er hatte den Kuckuck gehört. Es war Frühling. »Immer davon überzeugt, daß man unbesiegbar ist.«
    Das Sumpfwiesel lachte. Es war ein derbes Lachen, genauso rauh wie das andere Land.
    Der Mondsee lag bewegungslos da, der Himmel war klar. Kia jagte, und Kine, der während ihrer Abwesenheit unruhig war, beobachtete die Vögel, die sich zum Schlafen niederhockten. Sie kamen in den Wald, jeder auf seine Weise: Einige flogen schnell, um sich gleich niederzulassen, andere nutzten das letzte Licht, um sich noch einmal ihren Kropf vollzustopfen. Der Grünspecht schwang sich auf die Wiese und bohrte dort nach Raupen, dann verschwand er

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