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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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die verzweifelt und überempfindlich zur Welt kamen. Sie waren kurzlebig und neurotisch, ihnen fehlte eine Bestimmung. »Für ein Wiesel mag es in Ordnung sein«, protestierte Scrat, »doch die Spitzmaus ist bedeutungslos. Das Ende steht unmittelbar bevor.«
    »Ich werde dir eine Aufgabe geben«, ermutigte ihn Kine. »Und zwar eine wichtige.« Er blickte den Winzling an. »Bedeutungslosigkeit ist die ideale Eigenschaft für einen Spion – du kannst für uns spionieren. Beobachte die Nerze. Berichte darüber, was sie tun und was sie vorhaben. Der erste Schritt ist, den Gegner kennenzulernen, seine Stärken und seine Schwächen. Du könntest die Aufgabe übernehmen, Scrat. Sie würde dir Selbstvertrauen geben.«
    »Wenn ich überlebe. Wenn wir überhaupt überleben.«
    »Du wirst überleben.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Na, na, Scrat!«
    »Gut, vielleicht …« Seine Stimme klang ängstlich, doch sein Schwanz hob sich, und er beschrieb mit seinen winzigen Beinen einen kleinen Kreis, als ob er seine Unerschrockenheit testen wollte. Er genoß diese Sensation und brüstete sich. »Ich bin jemand! Man wird mit mir rechnen müssen.«
7. Kapitel
    Vor eineinhalb Jahrtausenden hatte ein schweres Unwetter das Tal verwandelt, hatte in den finsteren Wäldern Bäume entwurzelt und Trümmer und Geröll in die Flußmündung geschwemmt und dadurch die Grundlage für das jetzige Marschland geschaffen. Einer Sage nach war der Überlebende eines gekenterten Schiffes – ein stämmiger Jütländer oder Sachse, vielleicht irgendein Gefolgsmann des legendären Hengist – die Anhöhe zu der Hügelkette hinaufgestolpert, als ihn ein Blitz niederstreckte.
    Man hatte sich wahrscheinlich seltsame Dinge vorgestellt, wenn die Donner krachten und gezackte Blitze das Land in gleißendes Licht tauchten. Einige der schlimmsten Unwetter brachen im Frühjahr herein, aus einem düsteren Himmel voller Gewalt, vor dem sich die Felder zu verkriechen suchten. Dann dachte der Bauer an seine Frau und an ihre Furcht vor dem Gewitter, die schließlich mit ihr gestorben war. Er brachte den Scheibenwischer des Treckers auf Hochtouren. Der Regen prasselte, Blitze zuckten.
    Schweiß durchnäßte den rotbackigen Witwer. Fast jedes Jahr wurden ein oder zwei Tiere des Tales vom Blitz getroffen. Einer hatte einmal auf einen Streich vier von Mullens Ochsen getötet; und das Metallgehäuse des Treckers wirkte nicht gerade beruhigend. Er drückte mit dem Fuß das Pedal durch und fuhr mit Vollgas, um schnell einen Schutz vor dem Unwetter zu finden. Schwefelgeruch lag in der Luft. Die Bäume schreckten zurück. Es war ein entnervender Ort, wenn sich die zusammengeballten Spannungen entluden, und er hoffte, daß sich seine Tochter im Haus befand.
    Andere brachten sich, so gut sie konnten, in Sicherheit. Im nassen Röhricht kauerte der Reiher, seinen Kopf eng an den Körper angelegt, die Augen geschlossen, damit das aus den schweren Wolken aufflackernde, grelle Licht nicht so blendete. Das Vieh suchte Dickichte auf; ihre Hinterteile windwärts gerichtet, zitterten sie nervös. Es war ein imposantes Schauspiel: Blitze zerrissen die Düsternis, gabelten sich und ließen die Hügelkette scharf hervortreten. Der Himmel explodierte förmlich. Ein horizontal verlaufender Blitz überzog den Fluß mit einem weißen Glanz. Gleichzeitig kletterte ein durchnäßtes Tier mühsam aus dem Wasser ans Ufer.
    Das Wiesel, das den Namen Ford trug, schüttelte sein zerzaustes Fell. Er schien das Unwetter nicht weiter zu beachten und verschlang die schwere Luft in leichten Zügen. Wasser rann an ihm herunter. Gelegentlich beschnupperte er das fremde Ufer, erforschte es mit zuversichtlicher Geschäftigkeit, dann hob er seinen Kopf und lachte der Regenflut ins Gesicht, als ob er durch die Härten seines heimatlichen Sumpfes gegen alle Unannehmlichkeiten gefeit wäre. Ein kräftig gebautes, rauhes Wiesel; mit der Unerschrockenheit eines Bullterriers setzte er seinen Weg fort.
    Langsam zog das Gewitter flußabwärts auf das Meer zu. Das Tal hatte sich aufgehellt, die Sonne kam wieder zum Vorschein, als Ford die Marsch hinter sich ließ und verwundert stehenblieb. Die Anhöhen vor ihm dampften leicht. Entwässerungsgräben plätscherten. Die vom Regen gereinigte Landschaft mit ihrer üppigen Fruchtbarkeit erschien ihm, verglichen mit dem Sumpf, so fremdartig, daß er zunächst zögerte, dies alles wahrzunehmen. Der Untergrund war fest. Hecken hatten neue Triebe bekommen, und das Getreide wuchs

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