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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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ausgehen.«
    Wilderer klappte das Gewehr mit einem Ruck zu. »Denke, daß ich dich an dem Abend dann nicht sehen werde. Ich werde hier allein sitzen, während du dich amüsieren gehst.«
    »Genau. Du willst ja kein junges Ding haben, das dich belästigt.« Sie lachte in sich hinein, und als sie seinen funkelnden Blick bemerkte, rief sie belustigt: »Du Gauner, Wilderer. Du hundsmiserabler Gauner!«
    »Mir ist es egal.« Er strich über das Gewehr, streichelte den Schaft und den verzierten Abzugbügel, sein Gesicht vornübergebeugt. »Ich glaube, daß ich dich von nun an nur noch selten sehen werde, aber ich kann mich selbst um mich kümmern.«
    »Wie ein Baby!«
    Sie hörte auf zu lachen und seufzte, schließlich sagte sie: »Was für ein Dummkopf du bist – schlimmer als ein Liebhaber. Ich verlasse dich nicht. Ich habe dieses Häuschen nicht saubergemacht, nur um wenig später wieder einen Dreckstall vorzufinden.« Von der Spülküche aus, in der sie den Wasserkessel füllte, rief sie: »Übrigens, was ich dir sagen wollte. Er hat einen Nerz am Fluß gesehen. Es war ein großer Nerz.«
    Wilderer knurrte. Mit weißen Knöcheln umklammerte er sein Gewehr, dann sagte er grimmig: »Kaum kehrt man seinen Rücken, geht’s los, Raubzeug überall. Freilaufende Wiesel. Und jetzt Nerze. Wartet nur …« Schweigen. Dann war seine schleppende Stimme wieder zu hören: »Ich werde sie kriegen, wartet nur …«
    Kine sprang aus der Hecke, als Scrat jammernd herankam. Die Spitzmaus rannte; Scrat hatte nicht aufgehört zu rennen. In der Marsch war ihm von Sal- und Korbweiden aufgelauert worden, verdrehte Baumstämme hatten ihn mit grotesken Masken verspottet. Die Sonne war verschwunden, und er rannte mit Tränen in den Augen und klopfendem Herzen, bis er schließlich das Wiesel neben Wilderers Häuschen entdeckte. »Kine! Ich habe das Antlitz des Untergangs gesehen; die Abrechnung!« Er hielt keuchend an, stieß die Worte mit kraftloser Stimme hervor. »Am Mullen-Kanal. Sie rissen die Jungen von Kiebitz, Hase und Wildente. Dort ist eine ganze Bande von ihnen.«
    Das Wiesel blieb stehen. Er dachte nicht mehr an Wilderer und das Mädchen und beruhigte den Winzling. »Nimm’s leicht! Erhol dich erst mal!« Er verachtete Scrats Ängste nicht mehr. »Ich habe diese Tiere auch gesehen. Nur Mut, Scrat.«
    »Sie befinden sich an den Ufern des Kanals – die Vollstrecker des Untergangs persönlich.«
    »Viele?«
    »Viele, Kine, und ihre Anführerin, eine schwarze Gigantin.«
    »Ich habe sie gesehen.« Er dachte an das Monster, das auf dem Strand gehockt hatte, zurück, an die schlurfende Nerzin, die sich im Fluß in einen todbringenden Blitz verwandelt hatte. Und er sann über Kias Weisheit nach, über ihren ausgleichenden Einfluß. Durch Kia war er ruhiger geworden. »Ich habe die Gigantin überlistet, Scrat. Es ist noch nicht das Ende der Welt.«
    »Die Zeit ist gekommen.«
    »Unsinn.« Er betrachtete den grüngefärbten Graben. Eine Wilde Karde, die schon vor einigen Jahreszeiten abgestorben war, stand dort noch immer aufrecht, wo die alten Stengel der Großen Klette schon verrottet waren, und hatte sich mit den rankenden Dornsträuchern verstrickt. Der trotzige Widerstand der Wilden Karde, die sich auch nach ihrem Ableben noch immer stark zeigte, rief ihm die Helden am Galgen ins Gedächtnis, und Kine knurrte: »Ich werde es den Monstern schon zeigen. Die Wiesel haben Störenfriede bisher immer zurechtgewiesen. Es wird, vielleicht keine schnell zu lösende Aufgabe sein – man muß Pläne schmieden –, aber diejenigen, die das Wiesel herausfordern, schneiden als Zweitbeste ab. Denk an die Ratte. Denk an die Eule, Scrat. Streng deinen Geist an!«
    Scrat stöhnte; sein Pessimismus wurzelte tief in der Geschichte der Spitzmäuse. Er war, überlegte Kine, ein verwundbares und verleumdetes kleines Wesen. Lange Zeit hindurch hatten die Menschen geglaubt, daß die Spitzmäuse bei Tieren Krankheiten verursachten, wenn sie über sie hinwegkrabbelten. Die Behandlung einer sogenannten spitzmausbefallenen Kuh hatte in der Berührung mit einer Spitzmaus-Esche bestanden, mit dem Teil eines Baumes, in dessen Stamm man eine Spitzmaus eingeschlossen und sterben gelassen hatte. Es gab eine alte Spitzmaus-Esche im Tal; ihre Äste und Zweige waren einst von Wilderers Vorfahren begehrt, wenn ihr Vieh kränkelte.
    Derartige Verfolgungen gehörten natürlich einem früheren Zeitalter an, doch Spitzmäuse waren Kines Meinung nach heimgesuchte Geschöpfe,

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