Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
Vom Netzwerk:
herausforderten.
    Kia schwelte vor Wut. Ihre Augen hatten sich verengt, und ihr Schwanz bewegte sich heftig hin und her. »Um mich wird nicht gekämpft, und ich laß’ mich nicht wie eine Beute fortschleppen. Ich werde meine eigene Wahl treffen.«
    »Es wird nur einen Sieger geben, Kia. Ich kann nicht ohne dich zurückgehen.«
    »Du wirst mich nicht durch Aggression gewinnen und auch kein anderer.«
    Über ihnen schielte die Saatkrähe gehässig hinunter. Kine wartete ab und schätzte die Entfernung zwischen ihm und dem Sumpfwiesel. Die Wiese fiel vom Wald aus ab, und Ford blickte auf ihn herab, nur wenige Sprünge entfernt. Die Grasnarbe zwischen ihnen war von Wühlmäusen zerfurcht worden, und Kine schob sich langsam seitwärts, bis er genau vor der tiefsten Furche stand. Er kämpfte, um seine Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, versuchte den Blutrausch, der von Ford heraufbeschworen wurde, zu unterdrücken. In Kias Gegenwart mußte er sich defensiv verhalten.
    »Geh friedlich deiner Wege«, forderte er ihn auf. »Du hast gehört, was Kia gesagt hat.«
    Er war erstaunt über seine entschiedene Zurückhaltung, die er an den Tag legte. Sein Instinkt forderte zum Angriff auf, doch er beherrschte sich. Er hielt sich an Kias Grundsätze. Es war schon merkwürdig. Vor kurzem hatte er ihr die Zähne gezeigt, als sie ihm auf die Nerven gegangen war. Kine sah sie noch genau vor sich: die vorlaute Quasselstrippe. Aber sie war ihm ans Herz gewachsen. Es hatte sich eine Kameradschaft zwischen ihnen entwickelt.
    Und Kia hatte ihm geholfen. Es war Kia gewesen, die ihn vor Wilderers Drahtschlinge gerettet hatte. Kine erinnerte sich an ihre Warnung. Im Obstgarten, wo die Hühner herumliefen, hätte er sterben können. Und in der Scheune der Schleiereule. Kine dachte an ihre heilende Zunge, als er verwundet gewesen war. Sie konnte sanft sein, ein Feuersturm, eine verwegene Jägerin – er bewunderte sie.
    Doch nun fühlte er noch mehr als Bewunderung. Von Besitzgier verzehrt, in ihrer Abwesenheit gepeinigt zu werden war etwas anderes. Der Zauber war deutlich geworden, seine Wirkung so stark, so erregend, daß er Ford in den Wald gelockt und den gegenseitigen Haß der beiden Männchen hervorgebracht hatte. Es war die reine Ironie: Kia suchte Frieden, doch die Schöpfung machte sie, in der Brunstzeit, zur Ursache von Gewalttätigkeiten.
    »Geh!« sagte Kine. »Sonst werde ich dich gewaltsam vertreiben, Sumpfwiesel.«
    Ford bewegte seine Schultern, stampfte auf den Boden. »Ich werde gehen, wenn Kia mitkommt.«
    »Du hast hier keine Rechte.«
    »Die Rechte von Zähnen und Krallen. Was hast du für Rechte?«
    »Dort hinten am Wald steht ein Galgen; dort sind meine Rechte angeschlagen. Meine Vorfahren sind für meine Rechte gestorben.« Kine schwieg einen Augenblick, dann sagte er ruhig: »Du mußt noch viel lernen. Du bist jung, hitzköpfig und unerfahren. Geh, solange du noch kannst, denn hier habe ich das Sagen, und Kia gehört zu mir.«
    Ein Gebrüll erschallte, ein Ausbruch der Wut. Einen Moment lang zitterte Ford, dann stürzte er sich, noch immer brüllend, auf Kine. Der Angriff ging daneben, wurde durch den zerfurchten Boden gestört und endete in einem Getümmel. Kine hatte sich bereits auf den rauhen Nacken gestürzt, als Kia aufschrie.
    Die Sonne war verschwunden. Aus dem Westen kommend, warf ein tiefhängender, wolkenüberzogener Himmel mit blauen Rissen dunkle Schatten auf die dicht zusammenstehenden Bäume. Die Wolken jagten nervös dahin. »Hört auf, ihr beiden! Das will ich nicht! Es wird Mord und Totschlag geben. Kine …« Sie brach ab. Eine sonderbare Stille lag plötzlich in der Luft. Amseln flüchteten. Im nächsten Augenblick war der ganze Wald verstummt, so unheimlich ruhig, daß man die schnaufenden Geräusche der gegeneinander kämpfenden Wiesel hören konnte. Die Saatkrähen erhoben sich – grimmig dahinrudernd, zogen sie ein schwarzes Banner über das Tal. Kias Stimme bebte. Die Wut war von ihr gewichen. »Die Krähen! Die Krähen fliegen auf«, schrie sie.
    »Hier entlang«, sagte das Mädchen, als sie über das Zauntor kletterte. »Wir können durch den Wald gehen, an dem kleinen See vorbei.«
    »Ich muß eine Pumpe überprüfen.«
    »Man kann auch durch den Wald hindurch zur Pumpstation kommen. Es ist eine Abkürzung.«
    »Durch den Dschungel?«
    »Du brauchst nicht«, meinte sie. »Mir ist es egal.«
    Doch sie ergriff seine Hand, als er folgte, und zog ihn hinter sich her, wobei sie ausrief: »Auf

Weitere Kostenlose Bücher