Das Tal der Wiesel
streckte sich im Gras aus, und Kine warf sich auf sie. Zuerst knurrte sie wütend, dann empfing sie ihn mit pochender Erregtheit.
In der Ferne, wo die kerzengleichen Blüten der Kastanien aufflackerten, rief ein Kuckuck. Frösche quakten. Der Tag zog von allen Seiten die Sinne auf sich, doch im Gras, wo sich die Wiesel paarten, wurde das ganze Bewußtsein von der grandiosen Empfindung der geschlechtlichen Vereinigung aufgesogen. Einen Augenblick lang glaubte Kine, daß er sich in Vergessenheit verloren hatte, fühlte eine Seligkeit, die so endgültig war wie der Tod; dann kehrte sein Wahrnehmungsvermögen zurück, und sein Kopf – der ganze Himmel – war erfüllt von Trompetengeschmetter. In fließenden Wogen zogen die Gänse vorüber, ihre heiseren Schreie eine feierliche Huldigung der Fruchtbarkeit.
Kine wälzte sich träge im Gras. Befriedigt leckte er seinen Bauch und schüttelte sich. Der Moschusgeruch des Weibchens haftete an ihm. Eine ganze Minute lang betrachteten sie sich gegenseitig, nun waren sie keine bloßen Gefährten mehr, sondern durch das, was geschehen war – durch den Naturtrieb –, miteinander verbunden und noch immer etwas betäubt davon. Genüßlich streckten sie sich aus und sonnten sich. Kleine Mücken schimmerten im Licht. Die Schatten wurden länger. Schließlich murmelte Kia: »Armer Ford!«
Und Kine antwortete ihr gähnend: »Er wird eine andere finden. Ford ist ein Kämpfertyp. Er wird schnell darüber hinwegkommen.«
Als die Sonne unterging, schlenderten sie am großen Wald entlang. Die letzten Strahlen hatten die Lichtungen mit einer wäßrigen Farbe überzogen und ließen die jungen Blätter fast durchsichtig erscheinen. Dichtes Gras hatte die kleineren Blumen überwachsen. Anemonen verwelkten, Schlüsselblumen wucherten, andere Wildpflanzen wuchsen noch weiter in die Höhe. Bald würde das Mondlicht die Äste hell tünchen und den schäumenden Weißdorn zum Leuchten bringen. Das Geschrei der Gänse war verstummt, und der Große Wagen erschien am Maihimmel.
Jeder Kommentar war überflüssig. Der Frieden war vollkommen, unbeschreiblich. Es dauerte lange, bis Kia einfach sagte: »Ein guter Platz.«
»Der beste«, sagte Kine. »Es ist unser Revier: Hier jagen wir zusammen, streifen zusammen herum.«
»Ein Platz für unsere Nachkömmlinge …«
»Und deren Nachkömmlinge.«
Sie liefen verträumt dahin. Es war einer der Augenblicke, in denen sich sämtliche Wohlgerüche der Erde in der warmen Nacht trafen. Aus einem verschlungenen Dickicht flog ein scheuer, graubrauner Vogel, landete auf einem dunklen Ast und überflutete das Abendrot mit seinem melodischen Gesang. Nur die Nachtigall vermochte so zu singen, konnte die Vollkommenheit mit ihren Lauten noch schmücken. »Hör mal!« sagte Kia, und die Wiesel blieben unter dem wohlriechenden Blätterdach stehen. Nie hatte sie einen Vogel so eindringlich singen hören. Am Tage gehörten die Laute der Nachtigall zum vielstimmigen Gesang des Waldlandes, doch in der Nacht berührte ihr pulsierendes Lied die Seele, und die Wieselin seufzte. Sie war zufrieden.
Doch Zufriedenheit war vergänglich: Ein paar Wochen lang würde die Nachtigall singen, leidenschaftlich und unermüdlich; im Hochsommer würde sie dann erschöpft sein, ihre Stimme vergessen. Kia fürchtete sich vor der Zufriedenheit ähnlich wie vor den Nerzen. »Ich will es nicht verlieren«, sagte sie leise, »dieses Tal und den Wieselwald.«
Geistesabwesend vernahm er ihre Worte.
»Macht nichts«, murmelte sie. »Wir werden Zusammensein.«
»Hier ist es – dies ist nun deine Heimat, unser gemeinsamer Platz.«
»Ja …«
»Kines Land.«
»Ja«, sagte sie leicht zitternd. »Es gefällt mir, Kine.« Die Stimme erklang aus dem dunklen Dickicht. Wogend und bebend, mal lauter und mal leiser ertönte der Gesang der Nachtigall. Die Läufe waren so verschieden und kontrastreich, die Übergänge von tiefen zu hohen Tönen so bemerkenswert, daß es unwahrscheinlich zu sein schien, daß sie aus der gleichen Kehle kamen. Die Pausen waren quälend. Mehrere Male erschallte der gleiche Ton in einem durchdringenden Crescendo, gefolgt von einem trillernden Refrain verschiedener Güte. Um das Werk zu krönen, übernahm eine andere Nachtigall die zweite Stimme und antwortete harmonisch.
Der Gesang war fehlerlos – genauso fehlerlos wie seine neue Lebensgefährtin, dachte Kine. Die Sterne schienen für sie. Kia war ein Komet, ein Abendjuwel. Wie hätte ihm seine Mutter, die alte
Weitere Kostenlose Bücher