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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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der großen Ebene von Kent, die die Marschen von Romney, Denge und Walland umgab, ausgesetzt. Von dort aus pflanzten sie sich fort und breiteten sich weiter aus. Da sie hervorragende Schwimmer waren und gut springen konnten, hatten sie ihren Weg durch ein Labyrinth von Gräben und Kanälen gefunden und füllten Wiesen und Weiler mit ihrem anschwellenden Lärm.
    »Ich bin Bunda, überall zu hören, aber nicht zu sehen.«
    Dies stimmte nicht ganz, denn bei gutem Wetter sonnten sich die Frösche am Wasser, und wenn sie aufgeschreckt wurden, konnte man sehen, wie sie von den grünen Ufern aus eilig in die Fluten tauchten. Aber wenn sie ihren Chorgesang anstimmten, waren sie tatsächlich kaum zu entdecken; nur ihren Kopf aus dem Wasser haltend, ließen sie ihr Gequake weit in die Ferne hinaus erschallen. Die Spitzmaus starrte auf den Kanal und sah nur Wasser. Doch die Stimme erklang dicht neben ihr. »Ich kann dich sehen. Du bist ganz in der Nähe, Scrat.«
    Scrat fing an zu zittern. Er versteckte sich unter einer Distel und öffnete seine Augen soweit, daß sie die Größe von Stecknadelköpfen bekamen, doch vergeblich. Immerhin würde der Frosch es nicht riskieren, sich auf die stachlige Distel zu stürzen. »Wo bist du, Bunda? Ich muß mit dir sprechen.«
    »Brek-ek-ek!« Bunda ließ das Gelächter ertönen, dem er seinen zweiten Namen zu verdanken hatte: Er wurde nämlich auch Lachfrosch genannt.
    »Ein kurzes Gespräch – es könnte sehr nützlich für dich sein.«
    »Es wäre nützlich für mich«, quakte die geisterhafte Stimme, »wenn du näher kommen würdest. Du befindest dich nicht in Sprungweite.«
    »Ich bleibe hier.« Und nach passenden Worten suchend, fügte er hinzu: »Ich bin für eine Gruppe tätig, die etwas gegen die räuberischen Nerze unternehmen will«, und suchte das Wasser nach dem Frosch ab. Der Kanal erstreckte sich, soweit er sehen konnte. Er schien verlassen zu sein, ein silberner Weg zwischen grünen Böschungen. Scrat nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er mochte diese Stille nicht, und er zuckte zusammen, als Bundas Stimme vorbeidröhnte: »Den Nerzen kann sich niemand widersetzen.«
    »Kine wird es tun.«
    »Ein Wiesel? Ein Froschmörder!«
    Scrat blieb standhaft. »Na gut, wenn du die Nerze vorziehst …«
    »Ich traue den Wieseln nicht.«
    »Nur ein paar Worte – ganz im Gegensatz zu dir«, sagte Scrat mutig. »Ich könnte Kine von dir fernhalten; er würde dir zu Dank verpflichtet sein.«
    Schweigen. Das Schilf bewegte sich leicht, und ein Schwarm kleiner Vögel zog vorbei. Dann: »Ich bin hier, Winzling, im seichten Wasser neben dem großen Stein.« Und Scrat sah den Kopf über der Oberfläche, den warzigen Körper etwas verschwommen darunter. Bundas Beine waren mit dunkelgrünen Streifen versehen, und auf jeder Seite seines Mauls ließ er einen grauen, erbsengroßen Stimmsack anschwellen. Aber es waren die Augen – die vorstehenden, gelben Augen mit ihrer schwarzen Musterung –, die Scrat beunruhigten. »Auf dieser Basis können wir miteinander reden«, erlaubte der Frosch.
    »Deine Artgenossen« – die Spitzmaus hielt sich dicht an der Distel –, »sie haben die gleichen Wege benutzt wie die Nerze …«
    »Und sind abgeschlachtet worden.«
    »Du kennst die Räuber.«
    »So gut wie jeder andere seit der Zeit der Zwölf Gründer. Wenn es das Böse ist, was dich interessiert, Winzling, so kann ich ein Lied davon singen.«
    Bunda blies seine Backen auf und berichtete eingehend über die große Wanderung der Frösche und über die todbringenden Störenfriede, von denen sie gejagt worden waren. Es handelte sich um ein düsteres Epos, umwoben mit Bildern von Weihern, windgeschüttelten Weiden, sumpfigen Vertiefungen und lockenden Kirchtürmen weit entfernter Gemeinden. Das Volk der Frösche war immer weiter gezogen, und die Nerze hatten sich von ihnen ernährt. In brackigen Wasserläufen und triefenden Bachdurchlässen waren Hinterhalte gelegt worden. In Gräben hatte der Tod gewartet. Die Nerze waren erbarmungslos. Bundas Lied erzählte von Massakern. Dann hatte ein Teil des Froschvolkes die Nerze schließlich hinter sich gelassen, dieses Tal erreicht und somit einen Ort des Friedens gefunden.
    »Es gab Reiher, jeden Tag Gefahren; manchmal ein Wiesel«, erzählte Bunda, »aber keine Massaker mehr. Die Frösche achteten die Erinnerungen der Zwölf Gründer, vergaßen jedoch bald die Wanderung mit ihren unerträglichen Schmerzen und Qualen. Bis zum letzten Herbst. Es war schon Zeit, sich

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