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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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Begrüßung aus schmetternden Hörnern.
    Kine fühlte ein Prickeln auf seinem Rücken. Die Laute waren ermunternd, eine Verkündigung des herrlichen Frühlings und des nahenden Sommers, der Zeit der Zeugung und der Fülle. Kia stand neben ihm und knabberte an den Blättern der Raute, einer bitteren Pflanze, die Wiesel angeblich gegen Kreuzotternbisse unempfindlich machen soll. Kine hörte den Gänsen zu und atmete Kias berauschenden Geruch ein. Er war mit sich und der Welt zufrieden. Ford war verschwunden. Kine hätte ihm zwar gerne eine eindringlichere Lektion verpaßt, doch Kia war froh über die unerwartete Beendigung des Kampfes. Durch Kias Anerkennung, die sie ihm gezollt hatte, war er überglücklich.
    Der Himmel war klar, das Land stand in voller Blüte. In den Obstgärten hatten sich duftende Wolken entfaltet, während cremefarbene Wiesenkerbel und goldene Butterblumen die Feldwege säumten. Hummeln bewegten sich durch hundert zarte Wohlgerüche. Grillen zirpten. Es war ein warmer Tag, überschäumend, die Sinne anregend – süß, wo Kuhdung lag und sich braune Fliegen sammelten; glänzend, wo Forellen durch die Luft sprangen; ausgelassen, wo Färsen umhertollten; und ungezähmt wie die Freiheit, entrückt wie die Leidenschaft, wo die trompetenden Gänse vorbeizogen.
    Kia putzte sich. Der Drang, sich zu paaren, war übermächtig, sie bewegte sich unruhig hin und her. Einer plötzlichen Regung folgend, sprang das Weibchen auf ihren Gefährten, warf ihn um und schnappte mit scheinbarer Wildheit nach seinem Nacken. Sogleich ließ sie wieder von ihm ab, blickte ihn einen Moment lang herausfordernd an und floh, überzeugt, daß er folgen würde, durch eine Hecke auf den dahinterliegenden Weg. Kine sprang hinter ihr her.
    Sie rasten in einem Abstand von ungefähr einem Meter auf dem Feldweg entlang und ließen an den Stellen, wo sie zwischen ihren gewandten Sprüngen den Boden berührten, feine Staubwirbel entstehen. Sie liefen bergauf, flossen in gleichen Wellenbewegungen dahin, stellten ihre Beine schräg, wenn sie in die Kurve gingen, und verschwanden erneut in der Hecke, kamen auf der anderen Seite heraus und liefen wieder zurück. Bald befanden sie sich in der Sonne, schimmerten wie rote Vögel, bald im Schatten, wo sich unter ihnen Kaninchengänge erstreckten. Finken flogen überstürzt auf. Kia schwebte über dem Boden. Kine folgte dem aufflammenden Schwanz der Wieselin.
    Er war vollkommen in Anspruch genommen. Keinem Kaninchen hatte er jemals so angestrengt hinterherlaufen müssen. Es war eine übermütige Jagd. Kia lockte ihn zwischen grüne Getreidepflanzen hindurch in verwirrende Labyrinthe, an sonnenbeschienenen Grasstreifen und dornigen Höhlen vorbei. Die Saatkrähe rief ihnen zu. Sie beachteten sie nicht. Scrat rief ihnen etwas zu. Sie rasten blind weiter, der aufgewirbelte Staub von ihren Hacken ein rauher Gruß. Im Unterbewußtsein registrierte Kine Berge – in Wirklichkeit handelte es sich jedoch um Bäume – und die Helligkeit des unermeßlichen Raumes. Ein eindrucksvoller Tag.
    Kias geschmeidige Gestalt stürmte ihm voran. Sie schien zu gleiten, berührte kaum den Boden und segelte schwalbengleich über Furchen und Erdhaufen hinweg. Und als ihre glatten Flanken schimmerten, sah er flüchtig ihre weiße Unterseite. Er wunderte sich nicht, daß Ford sie begehrt hatte. Sie war schön wie eine Blume, flink wie ein Falke, geschmeidig wie eine Schlange; dazu geboren, prächtige Junge aufzuziehen. Sie schwebte. Kine versuchte sie einzuholen, hüpfte am drohenden Stechginster vorbei und an der Stinkenden Hundskamille.
    Sie rannten unermüdlich. Sie erreichten ein Zauntor, unter dem das Wasser von einem Rohr abgeleitet wurde; nun war es trocken, und Kia verschwand in dem Rohr. Kine stürzte sich ebenfalls hinein und folgte der Wieselin, deren Silhouette sich gegen einen hellen Lichtkreis abhob. Das Rohr ließ die Geräusche, die sie bei ihrem anstrengenden Lauf verursachten, widerhallen, vervielfältigte und dämpfte sie; ein wispernder Gang aus Spinnweben und feuchtem Moos, aus dem sie wieder ins grelle Sonnenlicht drängten.
    Dann hatte Kia am Ende der Hecke plötzlich wie ein Eichhörnchen den Stamm einer verkrüppelten Esche erklommen und kletterte auf einem der unteren Äste entlang, Kine hinter ihr her. Es war ein alter Ast, die Unterseite mit gelbbraunen Pilzen bewachsen, der sich über hohem Gras erdwärts neigte. Herzklopfend standen sie hintereinander, schwer atmend. Kia sprang hinunter,

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