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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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wie es sein Junges auf das Überleben vorbereitete.
    Er sah die Elstern in Wilderers Hecke und an der Mülltonne den Mann selbst, der wegen seiner erkrankten Gelenke kaum noch laufen konnte. Der Wächter blinzelte teilnahmslos. Er sah die Kreuzotter auf der Lichtung und den Lieferwagen des Technikers, der neben dem Garten des Bauern parkte, in dem wohlriechende Wicken und Rüben wuchsen. Der junge Mann war ausgestiegen, und als er sich mit dem Mädchen unterhielt, gab sie ihm im Scherz eine Ohrfeige.
    Die Saatkrähe suchte die Wiese ab. Kine und Kia saßen müßig im Schatten des Dornstrauchs am Waldrand. Mit plötzlichem Interesse starrten die Augen des Wächters zwischen die Bäume hindurch nach unten auf ein drittes Wiesel, das von den beiden anderen nicht gesehen wurde und gegen den Wind lief. Das Laubwerk behinderte den Blick, doch die Saatkrähe zweifelte nicht daran, daß es sich um den kampflustigen Fremden aus dem anderen Land handelte. Seine vorwärtsdrängende, sorglose Dynamik war unverwechselbar.
    Ford nahm den kürzesten Weg zwischen den Bäumen hindurch. Er war noch niemals in einem Wald gewesen. Auf dem Burghügel gab es zwar einige Bäume, doch keinen Untergrund aus Kräutern und Sträuchern. Dieser dichte Waldteppich schien ihn zu verschlingen. Ford stürmte blind voran. Kias Geruch war in seiner Nase, und er schob das wuchernde Blätterwerk mit stampfenden Schritten zur Seite. Manchmal konnte die Krähe ihn sehen, manchmal war er verschwunden. Die beiden Wiesel auf der Wiese blieben bewegungslos.
    Der Wald glich einer Kathedrale, deren säulenbestandene Räume in grünes Licht getaucht waren. Auf jedem Morgen wuchsen ungefähr fünfzig Eichen, mit dicken Stämmen, die fast dreißig Meter hoch waren, die Blätter bildeten ein gewaltiges Dach. Es war ein ehrfurchtgebietendes Gewölbe. An manchen Stellen zerschnitten dünne Sonnenstrahlen das flutende Licht mit goldenen Klingen, doch Fords Augen waren an der Schönheit nicht interessiert, und seine Nase führte ihn. Als er Moschusgeruch witterte, fing er an zu rasen. Wundkräuter und Wolfsmilch, Winden und Zaunrüben – Ford sprang ungestüm über sie hinweg und fegte durch die Brombeersträucher auf die offene Graslandschaft.
    Aufgeregt beobachtete die Saatkrähe, wie sich die anderen beiden Wiesel versteiften, zurücksprangen, herumwirbelten und dem Störenfried mit gesträubten Nackenhaaren gegenüberstanden. Alle drei erstarrten, ein Wieseldreieck im Gras. Kia hatte sich als erste wieder gefaßt. »Ah, du bist es. Du hättest uns ruhig warnen können. Was machst du hier?«
    »Bleib stehen!« rief Ford. »Zuerst will ich Kine.«
    Er setzte sich in Bewegung, aber das beunruhigte Weibchen schnitt ihm den Weg ab. »Halt dich zurück! Wenn du hergekommen bist, um Scherereien zu machen, kannst du wieder gehen. Dich hat niemand eingeladen.«
    »Wer ist das?« Kine sah ihn drohend an.
    »Sag ihm, ich bin Kias Freier«, rief Ford verwegen. »Ich bin gekommen, um sie abzuholen und die Schlange, die bei ihr ist, zu zermalmen.«
    Amseln lärmten. Einen Streit vorhersehend, schrien sie ihre Empörung aus Büschen und Sträuchern heraus. Kine schätzte seinen Rivalen ab. Er hatte sich vorgestellt, daß Ford ein großes Tier wäre, doch sein breiter Brustkasten übertraf all seine Erwartungen. Fords Anblick war erschreckend: eine niedrige Stirn, angriffslustige Kiefern, gesprenkelt mit Speicheltröpfchen, die das Sonnenlicht reflektierten. Das Gras, das er betreten hatte, lag da, als ob eine Ratte es zertrampelt hätte. Er schob Kia aus dem Weg und nahm eine massive Kampfstellung ein; den Nacken ausgestreckt, starrte er Kine an. Es war ein rauher Nacken. Ford schäumte vor Kampflust und Muskelkraft beinahe über. Kine vermutete, daß er mehr körperliche als geistige Kräfte besaß.
    »Du befindest dich auf verbotenem Land.«
    »Ich bin gekommen, um Kia zu holen.«
    Ford hob seinen Kopf der Sonne entgegen und ließ einen Kampfgesang und ein Liebeslied zugleich ertönen. Es klang ungehobelt, leidenschaftlich wie das aufsteigende Fieber in ihm, der Wieselrausch. Dann fing er in einem langsamen, stampfenden Rhythmus an zu tanzen. Er bewegte sich nicht von seinem Platz, erhob sich aber senkrecht in die Höhe, schaukelte und hüpfte in einem wilden Tempo, wobei er sein schnarrendes Geheul fortsetzte. Durch Blitz und Donner hindurch war er gekommen, rezitierte er, um das Weibchen abzuholen, Kia, die Geschmeidige, und er würde diejenigen erledigen, die ihn

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