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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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Wieselin, angesichts dieses erfolgreichen Tages applaudiert! Wer würde denn nicht die hervorragenden Eigenschaften seiner Partnerin bewundern? Kia konnte alles vorweisen: Schnelligkeit und Grazie, Intelligenz, Mut und Zärtlichkeit. Sie war ein verwegener Feuersturm, wie sie bewiesen hatte, eine Diplomatin, sarkastisch und schelmisch. Mit Kia zusammen zu sein bedeutete auf Wolken zu gehen.
    Waldmäuse flohen vor den Wieseln: Ihre Augen traten hervor, ihre Schwänze zuckten kurz, dann verschwanden sie zwischen dichtstehenden Pflanzenstengeln. Kia hüpfte spielerisch voran und tanzte ausgelassen zu ihrem Begleiter zurück. Von Zeit zu Zeit beschnupperte sie ihn neugierig wie einen Fremden, dann lief sie mit wachsamer Nase wieder weiter. Kine ging beglückt hinterher. Er spürte eine überwältigende Zuneigung, eine ausgeprägte Fürsorglichkeit, wie sie noch nie jemand in ihm wachgerufen hatte. All ihre Töchter würden vollkommen sein, behauptete er, und die Söhne würden ehrwürdige Nachfolger Kines werden.
    Kia sagte: »Hüte dich vor der Überheblichkeit. Die bevorstehende Aufgabe wird deine ganze Kraft beanspruchen.«
    »Man kann es von den Sternen ablesen: Unsere Ahnenreihe wird sich fortsetzen. Wir werden alt werden und im schönsten aller Länder geachtet sein.«
    »Ich hoffe«, sagte sie leise und zitterte wieder. »Ich hoffe es, Kine.«
    »Es ist unser Platz.«
    »Und wir sind zusammen«, sagte sie. »Das ist die Hauptsache.«
    Sie erreichten den Mondsee. »Wir werden Tag um Tag genießen. Die Nacht ist wunderschön.« Der See sah im blassen Mondlicht tatsächlich verzaubert aus. Die spitz zulaufenden Schatten der Schilfgräser zogen Streifen über Wasserlinsenflächen und Lilienbüschel; die Weidenblätter, die auf dem Wasser schwammen, glichen kleinen Booten. Große Bäume, in denen Saatkrähen schliefen, flüsterten; der Gesang der Nachtigall beruhigte den Wald. Kine rief Kia zu dem vorstehenden Ufer, und sie blickten hinunter. Kia sagte: »Wir spiegeln uns im Wasser – und der Vollmond.«
    »Wie es vorherbestimmt worden ist«, sagte Kine. »Wir beide.«
    Kia veränderte sich in den folgenden Wochen, doch die Schwellung fiel trotz ihres schmächtigen Körperbaus kaum auf. Mit einem flüchtigen Blick hätte man ihre Trächtigkeit nicht bemerkt. Der Bauer, der auf dem Gerstenfeld arbeitete, übersah nicht nur ihren Zustand, als er sie von seinem Trecker aus kurz betrachtete, sondern hätte nicht einmal sagen können, ob es sich bei diesem kleinen Tier um ein Männchen oder um ein Weibchen handelte. Die erste Veränderung, die Kine bemerkte, war ihr Appetit. Vorher ein kleiner Esser, suchte sie nun gierig nach Nahrung.
    Die zischende Kreuzotter hielt sich fern von ihr. Kia tötete Schlangen und entwickelte mit der Zeit eine Vorliebe für das Fleisch der Maulwürfe, von deren Gängen sie angelockt wurde. Kine wußte, daß er sie in einem Maulwurfsbau finden würde. Wenn er davor wartete, bewegte sich schon bald ein brauner, lockerer Erdhügel, und die geschäftige Kia kam mit glänzenden Augen aus der Tiefe der Erde hervor.
    Einmal fand er sie in dem riesigen Maulwurfsbau am Waldrand. Der um einen Baum herum aufgeworfene Erdhaufen, von dem aus man in das weitläufige Tunnelsystem gelangen konnte, war von Farnkraut und hohem Gras überwachsen. Kia tauchte neben einer freiliegenden Baumwurzel auf und schüttelte ihren Kopf. »Unbewohnt«, sagte sie. »Scheint aufgegeben worden zu sein. Kein Maulwurf zu sehen.« Ihre trübsinnige Miene amüsierte ihn.
    »Warum denn Maulwürfe, Kia?«
    »Ich brauche sie«, antwortete sie, während sie ihre Schnauze putzte. »Ein plötzliches Verlangen. Es ist sonderbar, aber ich erinnere mich daran, daß ich damals mit Maulwürfen gefüttert worden bin. Ich bekomme wohl wieder die gleiche Geschmacksrichtung wie in meiner Kindheit.«
    »Es ist gut, solange du sie magst«, meinte Kine zustimmend. Er selbst fand keinen Gefallen daran, in den engen Tunneln herumzustöbern, und tat es daher auch nicht. »Aber dies ist ein Winterbau, im Sommer ist er leer.«
    »Scheint so. Ich sollte versuchen, dem Verlangen nicht nachzugeben, aber es ist schwierig«, seufzte sie.
    Womit sie recht hatte. Kia entwickelte sich zur Maulwurfsexpertin. Sie kannte die Gänge in Wilderers Obstgarten und jeden Hügel im Gerstenfeld oder auf der Wiese. Wenn sie verschwunden war, wußte Kine, daß sie, mit Erde bedeckt und nach Maulwurf riechend, zurückkehren würde. Es amüsierte ihn – ebenso ihre

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