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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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Selbstzufriedenheit, wenn sie sich vollgefressen hatte. Andere, unter ihnen der Wächter, fanden es nicht so komisch. Die Saatkrähe stand unter schwerem Druck. Die Zeit, in der die Nachkommen aufgezogen wurden – für die Saatkrähen niemals einfach –, hatte den Alten ausgezehrt.
    Zuerst hatte er allein geschuftet, um die Jungen und seine brütende Gemahlin zu füttern. Das Hin- und Herfliegen zwischen der Brutkolonie und den Futterplätzen war erschöpfend gewesen, das Herausscharren der Nahrung aus dem trockenen Boden eine Qual. Als ihm sein Weibchen zur Hilfe kam, war er bereits zu einem gefiederten Wrack geworden. Einige der Krähenmännchen hatten bei der Fütterung ihrer Familie beinahe den Hungertod erlitten. Selbst wenn die Jungen fliegen konnten – nach ungefähr einem Monat –, benötigten sie noch immer die Fürsorge der Erwachsenen; und nun, im Juni, spitzten sich die Probleme des Wächters zu. Die Zeit der Mauser hatte begonnen. Einerseits brauchten die Krähen zusätzliche Nahrung, um wieder zu Kräften zu kommen; andererseits waren in der oberen Erdschicht nicht mehr so viele Würmer und Raupen zu finden. Der Sommer war eine harte Zeit für die Krähen.
    »Spezialitäten!« Der Wächter blickte finster zu den Wieseln. »Manche leisten sich den Luxus und fressen Spezialitäten!«
    Dann beschwerte sich die Kreuzotter über Kias Rastlosigkeit. Kine hatte die Schlange niemals gestört, doch Kias Verschrobenheit vor der Geburt reizte das Reptil. Wo die Sonne hinschien und das Gras erwärmte, ruhte sich die gemusterte Kreuzotter gerne aus oder kroch mit schleppenden Bewegungen von Lichtung zu Lichtung. Anstatt sich nun, wie gewöhnlich, gleichmäßig dahinzuschlängeln, zuckte die Kreuzotter ärgerlich und hob bedenklich ihren Kopf. »Kannst du nicht einmal mit ihr sprechen, Kine?« Beim Atmen ließ sie ein leises Zischen hören. »Sie jagt überall.«
    »Und sie hat ein Recht dazu«, erwiderte Kine, wachsam tänzelnd. »Kia ist die Gebieterin in Kines Land.« Er beobachtete den schlängelnden Körper, denn die Augen des Reptils waren wenig mitteilsam, unbeweglich unter der transparenten Haut. Die Kreuzotter war gut in Form. Sie hatte eine ganze Weile lang nicht mehr zugebissen, und ihr Giftpegel stieg. Kine forderte sie heraus. »Beiß mich nicht, Kreuzotter. Die Flüssigkeit in deiner Gallenblase ist ein Gegenmittel. Beiß mich – und ich werde dich töten und sie verschlingen.«
    »Ich will nicht mit dir kämpfen.« Die glitzernden Augen starrten ihn an. »Ich wollte nur deine Gefährtin warnen, Kine.«
    »Ich warne dich, Schlange!«
    Kine war eifrig darauf bedacht, Kias Rechte zu verteidigen. Doch die Maulwurfsjagden begannen lästig zu werden. An manchen Tagen sah er sie kaum; und ihre Geistesabwesenheit verstärkte sich. Sie war verschwiegen. Sie geisterte für eine Weile wortlos umher, dann verschwand sie wieder. Sein Instinkt sagte ihm, daß hinter ihrer Besessenheit mehr als nur die Nahrungssuche steckte. Schließlich schlich er hinter ihr her.
    An diesem Morgen suchte sie einen alten, vertrockneten Maulwurfshügel am Waldrand auf. Kine, der sich im Gras versteckt hatte, beobachtete, wie sie sich vorsichtig umsah, den freigelegten Eingang beschnupperte und hinabtauchte. Er näherte sich dem Tunnel und untersuchte ihn. Ihre Spuren waren auf der bröckligen Erde deutlich zu sehen. Sie hatten den Gang schon oft benutzt. Er zögerte angewidert. Kaninchenbaue gefielen ihm, doch keine Maulwurfsgänge. Die engen Röhren schränkten die Beweglichkeit ein und ließen ein bedrückendes Gefühl entstehen.
    Kine erinnerte sich, wie er einmal einem Maulwurfsgang gefolgt war, bis er in eine gräßliche Speisekammer geraten war, in der sich verstümmelte Würmer gekrümmt hatten. Ein halbes Dutzend war dorthin geschafft worden, vom Maulwurf ausreichend gebissen, um ihr Entkommen zu verhindern. Und Kine war genau in diesen schauerlichen Vorrat hineingestolpert. Nun schlüpfte er ohne Begeisterung in den Tunnel.
    Kias Geruch führte ihn ostwärts, unter Haselsträuchern und Waldlandkräutern entlang. Der Platz reichte gerade für das Wiesel, und es arbeitete sich mit flachem, gestreckten Körper vorwärts. Die Wände waren glatt und gleichmäßig gewölbt, um den faßartigen Körper des Maulwurfs, der den Tunnel mit seinen kraftvollen Vorderfüßen gegraben hatte, durchzulassen. Es handelte sich um keinen neuen Gang. An manchen Stellen waren Wurzelfäden durch die Decke gewachsen. Sie kämmten sein

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