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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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niederhockten, flatterten schon die ersten Fledermäuse über dem Wald.
    Das Licht war sonderbar. In die zunehmende Dunkelheit starrend, hätte ein Fremder vielleicht bemerkt, daß bestimmte Dinge, die vom Boden aufragten – Wildkräuterbüschel auf einer abgegrasten Weide etwa –, eine unwirkliche Auffälligkeit verliehen bekamen, die sie am Tage nicht hatten. Dies traf auch auf die Hasen zu, die sich in der Dämmerung oft zusammenfanden, um Futter zu suchen. Im Zwielicht stachen sie deutlicher hervor als im hellsten Sonnenschein. Um sie herum erhoben sich Käfer von den Kuhfladen in die kühlere Luft und arbeiteten sich mit brummenden Flügeln zu neuen Stellen vor. Wo der Mist getrocknet war, bildete üppig wachsendes Gras, von den weidenden Ochsen verschmäht, dunkle Winkel, in denen sich Insekten und Pilzsporen befanden.
    Ein paar Wochen später, wenn die Luftfeuchtigkeit anstieg, würden an vielen Stellen Pilze hervorkommen, auch viele giftige mit verführerischen Formen. Einige waren dann blaß und durchscheinend wie dünnes Porzellan, besaßen empfindliche Stiele und gewölbte Kappen, andere zeigten sich so farbenprächtig wie Sonnenschirme. Wieder andere liefen schwarz an, wenn sie heranwuchsen, und wurden weich und faulig.
    Zunderschwämme, die an Baumstämmen zu finden waren, blieben dort manchmal mehrere Jahre lang. Neben dem See stand eine Erle, die große, braungefleckte Pilze beherbergte, die aussahen wie gewendete Pfannkuchen. In den letzten zehn Jahren hatten sich diese Pilze kaum verändert.
    Die Eule flog über die Erle hinweg zu einer einsamen Eiche, die ihren Wendepunkt markierte. Sie flog fast immer die gleiche Runde und kannte jeden Baum, an dem sie vorbeikam. Zwischen dem Hügelkamm und der Marsch wuchsen einige vereinzelte Eichen, die kleiner waren als die des Waldes und bereits ihr Greisenalter erreicht hatten. Offensichtlich starben sie von der Spitze aus ab, denn das verbleibende Blätterwerk befand sich in Bodennähe, ihre leblosen Äste streckten sie im Dämmerlicht, ertrinkenden Schiffbrüchigen gleich, in die Höhe. Die Eule wendete und flog zum Wald zurück.
    Der Dachs befand sich nun unter einer Hecke und scharrte, wo die Hummeln ihre Nester gebaut hatten. Ebenso wie der Bär, dem er ähnlich sah, war auch dieses stämmige, brummende Nachttier ein Leckermaul. Die Hummelnester lagen meistens gruppenweise zusammen, unter der Erde verborgen. Am Morgen würden nur die Kratzspuren auf sie hindeuten. Kleine Vögel in der Hecke schlugen ängstlich mit den Flügeln. Jedesmal verwirrt, wenn die Dunkelheit anbrach, flogen sie in Schwärmen auf, die ein Sperber hätte erreichen können, die für die dahingleitende Eule jedoch zu schnell waren.
    Nach einer Weile setzten sich die Hasen in Bewegung und hoppelten nacheinander den Hügel hinunter; ein Weibchen schlug die Richtung ein, in der sich Wiese und Waldweg befanden. Es kam langsam heran, in der unbeholfen erscheinenden Gangart, die man bei den Hasen beobachten konnte, wenn sie umherstromerten. In vollem Lauf wirkten ihre gestreckten Körper flach und anmutig, doch ohne Hast boten die langen Hinterläufe einen unproportionierten, stelzenartigen Anblick. Die Häsin kam träge heran, aber die großen, bernsteinfarbenen Augen waren wachsam, Sehnen und Muskeln auf die Flucht vorbereitet. Am Waldrand angekommen, erstarrte sie plötzlich. Mit großen Sätzen eilte sie über die Wiese zurück und verschwand aus dem Blickfeld.
    Aus dem Wald ertönte ein durchdringender Schrei. Er klang nicht ganz so wie das schrille Quieken eines abgestochenen Schweins und auch nicht ganz so wie das pulsierende Wiehern eines aufgebrachten Pferdes, beinhaltete aber von beidern etwas und wirkte äußerst erschreckend. Die Füchsin, die ihn ausgestoßen hatte, wiederholte ihn nicht. Sie blieb einen Moment lang stehen und spitzte ihre Ohren, die auf der Rückseite schwarz gefärbt waren, dann, als sie keine Antwort erhielt, streifte sie gemächlich weiter durch den Wald – so wie ihre Vorfahren seit Urzeiten durch den Wald gestreift waren.
    Nun schien der Mond auf die taubedeckte Wiese. Im tiefen, feuchten Gras beleuchtete er etwas Samtartiges, und als eine winzige Gestalt davoneilte, stieß die Eule hinab. Verärgert schwang sie sich wieder empor. Es war die Spitzmaus, ein Tier, von dem sich scharfsichtige Räuber fernhielten, denn an jeder Flanke des Winzlings erzeugten mehrere unscheinbare Drüsen, wenn sie aktiviert wurden, einen widerwärtigen Geschmack. Die

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