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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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und nun war das Wasser voll von Bildern: der Mond und die Bäume, dünne Schilfrohre und das Wiesel – das unbekannte und unvermutete Wiesel dort. Es schimmerte im Wasser, unterhalb des kleinen Steilufers. Als Kine es beobachtete, kam ein zweites dazu, dann noch mehr, bis der See plötzlich mit den geisterhaften Gestalten von Wieseln gefüllt war. Überwältigt von den Spiegelungen, war Kine wie hypnotisiert. Schließlich schwenkte er seinen Blick auf das darüberliegende Steilufer.
    Das Land fiel zum Ufer hin sanft ab und war unbewachsen, abgesehen von vereinzelten moosartigen Gräsern und einem wuchernden Dornstrauch. Die giftigen Beeren der Tollkirsche glänzten in der Nähe, und dort, wo das Bläßhuhn umgekommen war, breitete sich Wegerich aus. Die Wiesel standen am Ufer des Sees, kleinere Gruppen von zwei oder drei Tieren schlossen sich der Versammlung an. Weitere Wiesel tauchten aus dem Dunkel auf, krochen zwischen den Kräutern hervor und liefen zu den anderen. Sie kamen von der Wiese und die Waldwege entlang, aus der Marsch und von den Hügeln und näherten sich instinktiv dieser düsteren Lichtung.
    Kine starrte sie verwundert an. Das Ufer schimmerte silbrig. Die dünnen, belaubten Zweige der Weiden ließen das Mondlicht hindurchstrahlen, das die Insekten bleichte und die krustigen Rinden uralter Äste mit einem metallenen Glanz versah. Die Gruppe wurde größer. Kine sah Sumpfwiesel, Heidewiesel, Wiesel aus den Wäldern und von den Weiden, einige kampflüstern, die Augen mißtrauisch verengt, und alle neugierig. Die Lichtung schien voll von ihnen zu sein. Über ihnen, wo unzählige Gestirne ihre Umlaufbahn beschrieben, leuchtete eine Sternschnuppe auf, und ein plötzlicher mitternächtlicher Windstoß erschütterte die Stille. Er bewegte die Schlafplätze der Tauben und der Fasane. Die schaukelnden Vögel spannten ihre Sehnen an und starrten erstaunt auf die Wieselbande hinunter.
    Die Kreuzotter zog sich zurück. Der Zaunkönig rief: »Wo Kia umgekommen ist, sammelt sich das Volk der Wiesel. Die Nachricht verbreitet sich; Kia war beliebt. Wo Kia gekämpft hat, versammeln sich die Sippen in Hochachtung und um Rache zu nehmen. Seht und staunt – seht euch den Tanz des Wieselvolkes an!«
    Es war so etwas ähnliches wie ein Tanz. Ungefähr dreißig Minuten lang – in denen ihre Zahl auf zwanzig anwuchs und sich weiter vergrößerte – stolzierten die schnuppernden und hüpfenden Wiesel ziellos umher. Die Lichtung war in Aufruhr, doch nur langsam entwickelte sich ein wirklicher Tanz. Und als es soweit war, wurde es ein aggressiver Tanz, ausgeführt von hüpfenden roten Kämpfern, ein Tanz, der von Zorn erfüllt war. Sie sprangen wie Forellen, hüpften wie Grillen, tanzten mit grimmigen Gesichtern, und jeder versuchte höher und kraftvoller zu springen als die anderen.
    Verwirrt von dem ekstatischen Treiben, wurde Kine von einem Schwindelgefühl gepackt. Überall stampften und schlängelten sich Wiesel, und er kannte keins von ihnen. Doch ihr Tanz war auch sein Tanz, ihr Zorn auch der seine. Er akzeptierte es in seinem Revier, ein gerechtfertigtes Eindringen, dieses hypnotische Toben unter den hohen Bäumen. Der Blutrausch breitete sich aus; er entdeckte ihn in den Augen der kleinen, nach oben gestreckten Köpfe, bis er ihn auch in seinen eigenen Adern spürte. Schaukelnd, sich ruckweise bewegend, hüpfte und tänzelte er, und plötzlich befand sich Ford an seiner Seite, der stürmisch mit ihm Schritt hielt. »Sie ist die Freude selbst gewesen, Kine. Sie werden büßen für das, was sie ihr angetan haben.«
    »Sie werden den Tag verfluchen, Ford.« Damals hätte er Ford getötet, nun wirbelte er herum und sang: »Sie werden ihre Verruchtheit verfluchen.«
    »Wir werden sie vernichten«, rief Ford mit rauher Stimme. »Wir werden ihnen die Kehle herausreißen, ihnen das Blut aussaugen.«
    Das Wieselvolk verschnellerte seinen Tanz in dem glasigen Licht. Es drängte an der Weide vorbei, wirbelte über die Lichtung und um den tiefen See herum. Kine zog mit. Er wußte, was er tat, daß sie eine Absage an seine Unabhängigkeit war, diese rote Bande, doch er brauchte diese Befreiung, diese Hingabe. Er mußte seinen Zorn mit jemandem teilen, mußte sich den Rufen anschließen. »Tod den Monstern!«
    »Auf, zu den Nerzhöhlen!«
    »Zum Mullen-Kanal!«
    Sie drängten durch das Zauntor zu dem Pfad am Waldrand. Dort, im dunklen Schatten, liefen sie lautlos voran, rachsüchtige Schemen, die den Zuschauern in den Hecken

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