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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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ihnen in Hinterhalten auflauert. Ihr müßt herausfinden, mit wie vielen Wieseln es ein Nerz aufnehmen kann. Ihr müßt wissen, an welchen Stellen er verwundbar ist. Dann könnt ihr auf Gru losgehen, Freunde, wenn ihr euch auf sie vorbereitet habt.«
    »Wenn die Hälfte der Wiesel verschwunden ist«, sagte Ford.
    »Vielleicht – aber nicht die bessere Hälfte.«
    »Sie haben ihre eigenen Reviere«, überlegte Kine. »Sie können sie nicht auf unbestimmte Zeit vernachlässigen.« Er sah sich gereizt um. Die verkrüppelte Esche unterhalb des Waldes, wo die kümmerlichen Bäume nur noch Hecken bildeten, diente ihnen als Aussichtsturm. In der Nähe floß der Graben vorbei, den die Nerze auf ihrem grausamen Streifzug benutzt hatten. Andere Gräben verliefen, jeweils eine Feldbreite voneinander entfernt, von der Marsch zum Hügelland hinauf und wurden nun von den flinken Wieseln beobachtet.
    »Ford hat recht«, gab er zu. »Es ist schwer, einfach nur so herumzustehen. Es macht einen ganz nervös. Die Nerze sind dort unten. Und wir wissen, daß sie kommen werden. Doch wann und auf welchem Weg? Wie viele?«
    Und würde er die Nerven behalten, fragte sich Kine, wenn ihm diese unheilvollen Riesen gegenüberstanden? Er rief sich das schwarze Monster auf dem Strand des Flusses ins Gedächtnis zurück, den keilförmigen Kopf, die fallenartigen Kiefern, den großen Nacken des Tieres und den buschigen Schwanz. Er dachte an die rasende Geschwindigkeit der Nerze, wenn sie unter Wasser dahinglitten.
    »Es wird heiß«, sagte er verdrießlich.
    Ford schnappte nach einem Insekt. »Hier zu stehen und zu warten ist keine Aufgabe für ein Wiesel.«
    »Wir müssen einen klaren Kopf behalten.«
    »Bah!« Die Saatkrähe hockte träge in der Esche und blickte skeptisch hinunter. »Wenn ihr einen klaren Kopf hättet, würde ihr fortziehen und die Nerze vergessen.«
    »Würdest du das tun?« fragte Kine. »Nach all den Jahren, die du hier verlebt hast, würdest du vor ihnen flüchten?«
    Der Wächter suchte nach einer Antwort. »Ich bin zu alt für Veränderungen. Bin schon glücklich, wenn ich den nächsten Winter überstehe.«
    Einauge knurrte. »Du und ich, Saatkrähe – wir werden uns bald zu unseren Vorfahren gesellen. Aber du weißt, dieser Platz gehörte ihnen, von Anfang an. Krähen und Wiesel haben hier schon gelebt, bevor man etwas von Kaninchen, Ratten oder Fasanen gehört hat; als Wilderers Vorfahren noch wie die Bären in Höhlen wohnten. Wir können das Tal nicht einfach aufgeben, Krähe. Nebenbei bemerkt« – die ergrauten Wangen strafften sich –, »es ist kein aussichtsloses Unterfangen. Kia hat gegen sie gekämpft. Sie ist nicht geflohen. Wenn sie ihnen die Stirn bieten konnte, eine kleine Wieselin, was können wir dann alle zusammen erreichen?«
    »Ah, Kia …« Die Stimme des Vogels wurde sanfter. »Sie war eine leuchtende Blume. Ich mag die Wiesel nicht allzugern, aber Kia war etwas Besonderes. Ich habe oft an sie gedacht.«
    Kine fragte: »Dann wirst du uns helfen, Wächter? Wirst du dich uns – Kia zuliebe – anschließen?«
    »Die Nerzbekämpfer brauchen solche erfahrenen Alten wie uns«, half Einauge nach.
    Ford knurrte in sich hinein. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würden sie kämpfen und nicht greisenhafte Vögel umwerben. Die Sumpfwiesel, die mutigen Kämpfer des Grenzgebiets, warteten nicht darauf, daß der Feind zu ihnen kam. Es war nicht Fords Art, die Zeit totzuschlagen, an einem Graben zu stehen, während die Gefahr herankam und jede Bewegung im Gras einem einen kalten Schauer über den Rücken jagte und den Puls sprunghaft ansteigen ließ. Die Hitze verwirrte ihn. Die prickelnde Feuchtigkeit machte ihn nervös. Sie wirkte beunruhigend, bedrohliche Geräusche drangen aus den Hecken. Erschrocken richtete er sich auf und beobachtete angestrengt die Grasspitzen.
    »Runter!« schrie Kine, und als sie mit ihrem Bauch auf dem Boden landeten, teilte sich das Gras in nächster Nähe, und ein atemloses Tier fiel über sie.
    Sie erkannten das junge Heidewiesel. Seine Lunge hob und senkte sich heftig. »Der Graben neben dem Stechginster«, keuchte es, »wo sich das Entwässerungsrohr entleert …« Es versuchte, deutlich zu sprechen. »Sie haben einem Nerz aufgelauert, ein braunes Monster.«
    »Bleib hier!« Kine setzte sich schon in Bewegung. »Warte mit Einauge. Komm mit, Ford!«
    Mit voller Wucht sprangen sie durch die Hecke auf den Feldweg und liefen bergauf; staubbedeckte Spatzen und Tauben, die sich gerade

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