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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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gesonnt hatten, wurden aufgeschreckt. In Reihen standen hohe Gerstenhalme zu ihrer rechten, am Waldrand, zu ihrer linken Seite, wucherten verblühende Brennesseln und verschlungene Brombeersträucher, als sie den Weg entlangrasten. Sie wurden mit den krümeligen, ziegelsteinfarbenen Samen des Ampfers bestreut. Seite an Seite eilten sie voran, warfen Kieselsteine auf und ließen das Wasser in den Pfützen hochspritzen.
    Kine dachte an Grus Gatten. Liverskin, den einzigen braunen Nerz, den er kannte. Ein halb ausgewachsenes Kaninchen flüchtete vor ihnen; ein Eichelhäher schimpfte im Dickicht. Über einem blühenden Distelwald sah Kine die Scheune, und einen Haken schlagend, über weiße Wucherblumen hinweg, schossen die beiden Wiesel wie zwei tieffliegende, rote Pfeile durch das Tor zum Heufeld. Eine Viehtränke tauchte vor ihnen auf, fiel zurück, das Ventil, wie immer natürlich undicht, zischte.
    Ein brauner Nerz! Und wenn nicht Liverskin, dann war es eben ein anderes Monster. Jeder Nerz war ihm recht, dachte Kine, jedes dieser bösartigen Untiere.
    Die Heureihen erstreckten sich vor ihnen. Die Sonne brannte. Ein goldener Streifen zeigte die Stechginsterhecke an, ein kräftig gefärbtes Band hinter dem Feld, dessen Anblick die Wiesel zu größerer Eile drängte. Ford, der nicht ganz so gewandt war wie Kine, lag eine Länge hinter ihm zurück. Das Heu dampfte. Irgendwo rumpelte ein Trecker, und Tauben, die sich vom gemähten Gras in die Luft geschwungen hatten, beobachteten die unter ihnen vorbeirasenden Wiesel und landeten dann wieder. Kine stürmte mit energischer Entschlossenheit auf den Graben zu, in den sich das abgeleitete Regenwasser aus dem Entwässerungsrohr ergoß, Ford dicht hinter ihm.
    Ein Wiesel kletterte die Uferböschung herauf und schüttelte seinen Kopf. Es bewegte ihn krampfhaft, als ob es von einem Insekt gestochen worden war, und als es den Kopf ruhig hielt, war die Wunde deutlich zu sehen, ein klaffender Riß, der vom Auge bis zum Ohr verlief und die Knochen durchscheinen ließ. Das Tier schüttelte erneut mit dem Kopf, versuchte die Schmerzen zu lindern. »Im Wasser«, raunte es. »Er lebt nicht mehr.«
    »Wo?« fragte Kine.
    »Unter dem Rohr.« Es drehte sich um, und die anderen folgten ihm zu dem offenstehenden Rohrende. Unterhalb davon, sich im schäumenden Wasser leicht bewegend, schwamm träge eine leblose Gestalt. Kine erkannte, daß es sich um ein totes Wiesel handelte. Die Hitze war drückend. Eine Fliege surrte um den Kopf des verwundeten Tieres. »Er hatte es geschafft, sich im Nacken des Monsters festzubeißen«, sagte es, »doch es zog ihn unters Wasser. Wir haben unser Bestes getan. Als sich das Monster im Wasser befand, hatten wir keine Chance mehr. Es war nicht einmal ein großer Nerz – vielleicht dreiviertel ausgewachsen – doch er hat uns fertiggemacht.«
    »Ist er entkommen?« fragte Ford verstimmt.
    »Wir konnten ihn nicht aufhalten, nicht im Wasser.«
    »Nein.« Kine hielt seine Enttäuschung zurück und entfernte sich von dem ertrunkenen Körper. Hänflinge plapperten, als ob nichts geschehen wäre. »Ihr habt es versucht«, meinte er zu dem verletzten Wiesel. »Ihr seid mutig gewesen.«
    Ford zuckte enttäuscht mit den Achseln. Kine blickte ihn an und sagte: »Ich fürchte, daß wir noch mehr Verluste hinnehmen müssen, bevor …« Er zögerte. Sein Optimismus schwand. »… bevor es vorbei ist«, schloß er. Dabei beließ er es und starrte auf die von Nerzen wimmelnden Wasserwege. Konnte eine Bande von Wieseln, fragte er sich, das Tal tatsächlich retten? Konnte es überhaupt noch irgendwie gerettet werden? War die Rache unter dem Risiko der Selbstzerstörung nicht lediglich eine Wieselverrücktheit, eine gefährliche Dummheit? Kia und die Jungen waren unwiederbringlich. Vielleicht hatte die Saatkrähe recht – fortziehen und neu anfangen.
    »Wir werden sie bezwingen, Kine, genauso wie du die Ratte bezwungen hast. An eurer Seite werden wir kämpfen, bis wir sie erledigt haben.« Das verwundete Wiesel strich über sein Auge, wischte das Blut weg. Es bewegte heftig seinen Kopf und knurrte herausfordernd. »Nächstesmal erwisch ich eins dieser Untiere. Es wird für alle Zeiten von mir gezeichnet werden.«
    »Genau«, sagte Kine. »Wir werden’s ihnen zeigen!« Beschämt blickte er zum Wald zurück, der mit voll entwickeltem Blätterdach erhaben in der Sonne stand, der Wald, den Kia geliebt hatte, in dem das winzige junge Wieselweibchen mit ihr herumgetollt war. Er

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