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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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trübsinnig, Einauge! Ich werde wieder etwas tanzen.«
    Sie jagte davon, unter scharlachroten Äpfeln entlang; die Nerze waren vergessen. Und das alte Wiesel erblickte mal hier, mal dort flüchtig ihren schneeweißen Bauch. Er blitzte inmitten der Nesseln auf, schnellte aus dem Gras hervor und leuchtete, Bogen in der Luft beschreibend, neben den ausgetrockneten Baumstämmen. Die Wieselin drang in schattige Lauben ein, im nächsten Augenblick verfolgte sie die Wespen. Es war ein Spiel und gleichzeitig ein Erproben ihrer Flinkheit, die ihr in härteren Zeiten nützlich sein würde.
    Einauge reckte seinen Hals, um den fernen Himmel zu beobachten. Eine häßliche Wolke lag über dem Sumpf jenseits des Flusses. Sie war schwarz und riesig und schleuderte bereits düstere Regenspeere auf den großen Sumpf hinunter. Dies war seine schlimmste Befürchtung gewesen; daß das Wieselvolk in einen überfluteten Morast geriet.
    Wunder unterbrach ihre wilde Jagd und kam japsend auf ihn zu. »Wie recht du hattest, Einauge. Es wird regnen. Kluger Großvater!« Und dann, als sie seine Unruhe bemerkte: »Du bist besorgt. Ich sehe schon. Es ist Kine, um den du dir Sorgen machst.«
16. Kapitel
    Die Wiesel kauerten auf dem Boden, ihre Hinterteile dem Unwetter zugewandt, ihre Schwänze eingezogen, und sehnten sich nach dem Schutz, den sie nicht hatten. Der Sturm, der zusammen mit dem Wolkenbruch aufgekommen war, trieb den Regen in schmerzhaften Sturzbächen vor sich her, die durch das Fell drangen und die fröstelnde Haut durchnäßten. Die Wiesel waren dem Gewittersturm schutzlos ausgesetzt. Kine beobachtete, wie die brodelnden Wasserflächen silbrig wurden, sich verdunkelten und erneut aufblitzten. Der Himmel krachte. Kine sah zu Ford hinüber. Fords Fell wirkte glitschig, Tröpfchen umsäumten seinen breiten Brustkasten. Von Zeit zu Zeit schüttelte das Sumpfwiesel sie mit einem heftigen Ruck ab.
    Kine sagte: »Wir sollten lieber weitergehen, falls der Regen länger anhält.«
    »Er wird nicht länger anhalten.«
    »Wenn doch, sitzen wir in der Klemme. Der Wasserspiegel steigt.«
    Kräuselnde Seen waren durch den Regenguß entstanden, und wo die Grasbüschel vorher kleine Inseln gebildet hatten, sahen nur noch die Halmspitzen aus dem überfluteten Sumpf heraus. Der Pfad war noch schmaler geworden. Von beiden Seiten drängte sich das Wasser heran und sickerte in die leichten Vertiefungen. Die Abdrücke, die von den Hufen hinterlassen worden waren, hatten sich bereits gefüllt. Lediglich eine einzige tiefer gelegene Stelle des Pfades machte es vielleicht unmöglich, den Burghügel zu erreichen, dachte Kine.
    »Lange kann es nicht mehr dauern«, behauptete Ford. »Ein heftiger Gewitterschauer. Er wird vorübergezogen sein, und die Sonne wird wieder scheinen.«
    »Möglich.« Kine bezweifelte es. Der Optimismus eines Wiesels, das versucht hatte, ganz allein eine Schafherde aufzuhalten, konnte ihn nicht beruhigen. »Egal, ich will, daß wir weitergehen. Sag den anderen Bescheid, Ford.«
    Es kam wieder Bewegung in die Wiesel. Man hörte ein allgemeines Murren, als sie sich dem Regen zuwandten und deprimiert ihren Weg fortsetzten, bis eine Reihe kleiner, schlammiger Erdhügel vor ihnen sichtbar wurde. Laut erklang der Ruf – »Der Maulwurfsbau!« –, und die Wiesel starteten einen spontanen Wettlauf. Schlammiges Wasser spritzte auf. Das junge Heidewiesel überholte Kine mit einem gierigen Grinsen. »Futter!« schrie er in den Regen hinein. »Ich werde mich vollfressen, Kine. Bin völlig ausgehungert. Ab unter die Erde!«
    Er stürzte sich in einen Tunnel, und Kine, der in einem Erdhaufen herumscharrte, fand einen weiteren Gang. Er schlüpfte hinein und mußte plötzlich nach Luft schnappen. Die finstere Röhre war mit Regenwasser vollgelaufen. Kine hielt seine Nase unter die Decke, wo sich über dem Wasser noch etwas Luft befand, füllte seine Lunge, kämpfte sich zurück an die Erdoberfläche und schüttelte sich enttäuscht. Die anderen Wiesel tauchten auch wieder auf. Schlamm tropfte von ihren Körpern; manche spuckten Wasser aus. »Der Bau ist überflutet«, jammerte der Kleine aus dem Heideland. »Sie haben ihn verlassen.«
    »Wir werden später fressen.« Kine betrachtete das enttäuschte Wieselvolk: ein trauriger Anblick. Der Regen prasselte noch immer. »Laßt uns weitergehen«, sagte er rauh.
    »Wie du siehst, wird der Regen schon schwächer«, behauptete Ford, vorwärts stapfend. »Der Sturm läßt nach. Das Schlimmste haben wir

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