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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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hinter uns.«
    »Tchk!« In den Damm ragte eine graue Lagune hinein, in der eine Schlange schwamm. Ein heiser schreiendes Möwenpaar glitt über das Wasser hinweg. »Spar dir deine Worte, Ford! Vielleicht hört es bald auf zu regnen, aber der Wasserspiegel wird noch weiter ansteigen, da das Regenwasser von den Hügeln abfließt. Dieser See wird sich ausbreiten. Wie sieht der Weg vor uns aus, wenn die Flut zunimmt?«
    »Naß. Du befindest dich in einem Sumpf«, knurrte Ford, »und nicht in einem Rosengarten. Wir werden durchs Wasser laufen müssen.« Der Unentwegte zuckte mit den Achseln. »Wir sind schon naß. Wenn du einmal naß bist, bist du naß.«
    »Und wenn du einmal hungrig bist, bist du hungrig.«
    »Wir werden auf dem Burghügel fressen.«
    »Wenn wir dort hinkommen.«
    »Bah!«
    »Hör mal zu, Ford. Unter uns sind junge Tiere, die, im Gegensatz zu dir, nicht an die Bedingungen im Sumpf gewöhnt sind. Für sie gibt es eine Grenze des Erträglichen. Die Situation ist ernst.«
    »Ich habe niemals behauptet, daß es nicht gefährlich wäre.«
    »Und wie gefährlich ist es nun?«
    Ford zuckte erneut mit den Achseln. »Vielleicht ist die Situation schlimmer als angenommen, und wir können nicht durchs Wasser laufen. Möglicherweise müssen wir an manchen Stellen schwimmen.«
    »Das wäre übel …«
    Und so war es auch. Zehn Minuten später erreichten sie eine Reihe triefender Korbweiden und mußten stehenbleiben. Ein Bächlein war über seine Ufer getreten und zum reißenden Strom geworden; ein unüberbrückbares Hindernis. Die Wiesel betrachteten ihn hilflos.
    Der ganze Sommer schien in den Fluten ertrunken zu sein. Sie führten Fragmente von den Hügeln und Wäldern, von den Feldern und aus dem Heideland mit sich. Treibgut strömte vorbei. Ansammlungen von herausgerissenen Schilfrohren und wirbelnden Samenkapseln trug das dunkle Wasser, Beeren und Blütenblätter aus fernen Gegenden. Schmutziges Farnkraut, Quecken und abgebrochene Zweige trieben zusammen mit Blättern und Heideblüten vorüber. Wenn sich die Fluten wieder zurückgezogen hatten, würden die Ammern und andere Vögel die Hochwassergrenze nach gestrandeten Samen absuchen. Aber noch stieg das Wasser.
    Die Enttäuschung wühlte Kine innerlich auf. »Keine Chance, da durchzuschwimmen«, knurrte er wütend. »Was nun? Die Zeit wird knapp, Ford. Scrat wird warten. Was sollen wir jetzt tun?«
    »Hier können wir nicht bleiben«, sagte Ford mürrisch. »Wir müssen zurück.«
    »Zurück?«
    »Oder wir finden einen anderen Pfad. Das wäre möglich.« Das Sumpfwiesel blickte finster. »Ich lasse mich nicht durch einen reißenden Bach aufhalten. Wir werden einen anderen Weg nehmen.«
    »Ich habe keinen anderen Weg gesehen.« Kine ging wütend auf Ford zu. »Es gibt keinen anderen, oder? Gib’s zu, Ford!«
    »Wessen Land ist das?«
    Kine zog sich langsam zurück. »Es ist dein Land, aber nicht dein Wetter. Du kannst die Flut genausowenig aufhalten wie eine Schafherde.« Ohne seinen üblichen Schwung lief er zurück, an den Korbweiden vorbei. Nur der Hunger füllte einen Teil seiner Leere aus, die knorrigen Bäume sah er kaum, ebensowenig bemerkte er, daß der Pfad plötzlich viel schmaler geworden war. Als er die letzte kümmerliche Weide passiert hatte, schienen im Zentrum eines grenzenlosen Sees zu stehen, dessen Oberfläche nicht mehr von Grasbüscheln durchbrochen wurde, sondern, so weit man blicken konnte, glatt und grau war wie ein Reiher.
    Aus den untersetzten Stämmen heraufsprießend, winkten die dünnen Weidenruten schwach; ausgesetzte Seelen spiegelten sich dort, wo das Wasser plätscherte. Das Gefühl des Abgeschnittenseins überwältigte das verirrte, niedergeschlagene Wieselvolk, und Kine, der beobachtete, glaubte so weit von seinem Zuhause entfernt zu sein, wie er es nie für möglich gehalten hätte. Das Berühren von trockenem Boden mit den Pfoten, der Geruch des Waldlandes oder ein gefüllter Magen waren außerordentliche Empfindungen, die aus einer anderen Welt stammten. Er beschwor Bilder von ansteigenden Wiesen und bewaldeten Hügelkämmen. Wieviel hatte er in einem Land als selbstverständlich hingenommen, das in seiner Sehnsucht nun sternengleich erstrahlte – und er tadelte sich selbst dafür. Verdrießlich schüttelte er seine Pfoten. Als er sie wieder absetzte, bedeckten sie sich erneut mit Schlamm.
    »Kine!« Ein Wiesel vor ihm drehte sich hastig um. »Der Weg, den wir gekommen sind, steht unter Wasser – wir können nicht mehr

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