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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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meinte: »Wir müssen einen Weg finden, um hier wegzukommen. Wir können hier nicht einfach zugrunde gehen.«
    »Dort ist der Weg«, antwortete Ford und blickte über das Wasser hinweg.
    Kine betrachtete das ferne ansteigende Hinterland. Fremde Wälder erhoben sich über den Stoppelfeldern, die sich, vom blauen Dunst verschleiert, auf der Anhöhe bis zum Hochwasser hin erstreckten. Die Waldfläche und die Wiesen waren ihm unbekannt, und er nahm an, daß die Gefahren zahlreich sein würden; doch zumindest gab es dort festen, trockenen Boden und die Möglichkeit, Futter zu finden. Wenn sie am Rande der Flut entlanglaufen würden, konnten sie noch immer den Burghügel erreichen. »Alles, was wir brauchen«, sagte er sarkastisch, »ist die Energie, um zwanzigmal so weit zu schwimmen wie wir können.«
    Mehrere Schwäne setzten kraftvoll zum Flug an. Heftig mit den Flügeln schlagend, schleppten sie sich über die Oberfläche, wobei sie mit ihren Füßen eine Spur im Wasser hinterließen, bis sie schnell genug waren, um abzuheben; und mit einem wallenden Brausen stiegen sie, dicht nebeneinander fliegend, auf und schrien noch zweimal, als sie in nördlicher Richtung davonzogen. Schon wenige Sekunden später befanden sie sich über dem Festland. Es sah so einfach aus; Kine hatte es satt. Er blickte in die blaue Fläche, die über seiner fernen Heimat schwebte. Ein winziger Fleck zeigte sich am Himmel. Kine stieß Ford leicht an. Es war nicht nötig, seine Befürchtung auszusprechen, denn Fords Nackenhaare sträubten sich bereits. »Ein Falke«, knurrte er.
    »Nein.« Der Fleck hatte sich vergrößert. »Zu schwerfällig«, stellte Kine erleichtert fest. »Könnte eine Krähe sein.«
    »Es ist eine Saatkrähe.«
    »Du hast recht, Ford!«
    »Der Wächter?«
    »Unverkennbar!«
    Für einen Moment war der Vogel nicht mehr zu sehen, da weitere Wildenten von der Seite her ins Blickfeld flogen und mit lautem Spektakel landeten. Pfeifenten folgten ihnen. Der Sumpf war von Aufregung und heiseren Schreien erfüllt, dann tauchte die Saatkrähe wieder auf, deren schwarze Flügel an diesem wäßrigen Ort sonderbar unangebracht erschienen. Langsam kreiste der Wächter über den Wieseln, die ihn neugierig beobachteten, dann flatterte er zu ihnen hinunter. Sein begrüßendes »Kräh« klang spöttisch. »Mehr Mut als Verstand«, krächzte er und blickte sie vernichtend an. »In eine nette Situation seid ihr da hineingeraten!«
    Ford sah ihn grollend an. »Auf deinen Hohn können wir verzichten …«
    »Und auf Streitereien«, unterbrach Kine. »Es freut mich, dich zu sehen, Wächter. Kommst du von Einauge?«
    »Aus der Marsch. Ich habe das Blutbad gesehen.« Der alte Vogel betrachtete ihre Zuflucht, den Kopf zur Seite geneigt. Wo das Wasser gegen die grauen Stämme geflutet war, bröckelte die Rinde ab. Sie blätterte stückweise ab wie die mürben Schuppen von toten Fischen. Unter der Oberfläche wurden lange, dünne Seitentriebe von der wogenden Flut bewegt. Der Wächter dachte an die abgerissenen Gliedmaßen der Frösche, körperlose Beine, die nach dem Gemetzel noch mit rastloser Energie nervös gezuckt hatten. »Ich habe Bunda sterben gesehen, Kine. Er war tief getaucht, doch sie haben ihn verfolgt.« Sein harter Schnabel öffnete sich kaum noch, während er sprach. »Es gab kein Entrinnen. Ihr seid hier weit genug von dem Verderben entfernt. Zumindest seid ihr auf diesen verkümmerten Bäumen noch am Leben.«
    »Lebendiger, als Gru es sein wird, wenn wir zu ihr hinkommen«, rief Ford.
    »Scrat? Hast du ihn gesehen, Wächter? Lebt die Spitzmaus noch?«
    Die Saatkrähe schüttelte ihr Gefieder und blickte über den See. »Was denkst du denn? Du kennst doch Scrat – wer findet ihn schon, wenn es gefährlich wird? Und wenn sie ihn finden würden, wer will sich schon mit solch einem jämmerlichen Bissen den Appetit verderben? Die Spitzmaus lebt.«
    »Das ist immerhin etwas.« Vielleicht ein gutes Omen, überlegte Kine, ein Zeichen, das die Lebensgeister der Wiesel wieder anspornte, damit sie sich aus dieser Notlage befreien konnten. »Sag uns, Wächter – du hast die Flut von oben gesehen; können wir diesen von Wasservögeln wimmelnden See irgendwie überqueren?«
    »Wie weit könnt ihr schwimmen?«
    »Nicht bis zum Rande des Sumpfes.«
    »Ihr überrascht mich«, stichelte die Saatkrähe. »Die grenzenlose Tüchtigkeit der Wiesel ist am Ende.«
    »Und?« Kine hielt seine Wut krampfhaft zurück.
    »Ja, es gibt eine Möglichkeit, aber ihr

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