Das Tao der Physik
auf eine von außen kommende Schallwelle, gerät aber in heftige Schwingungen, wenn die Schallwelle
eine bestimmte Frequenz, die Resonanzfrequenz, erreicht. Der
Kanal einer Hadronenreaktion kann mit einem solchen in Resonanzschwingungen befindlichen Hohlraum verglichen werden, da die Energie der kollidierenden Hadronen mit der Frequenz der entsprechenden Wahrscheinlichkeitswelle zusammenhängt. Wenn diese Energie oder Frequenz einen bestimmten Wert erreicht, gerät der Kanal in Resonanzschwingungen.
Die Schwingungen der Wahrscheinlichkeitswelle werden plötzlich sehr heftig und verursachen so einen steilen Anstieg der
Wahrscheinlichkeit der Reaktion. Die meisten Reaktionskanäle haben mehrere Resonanzenergien. Jede von ihnen entspricht der Masse eines kurzlebigen Zwischen-Hadronenzustands, der entsteht, wenn die Energie der kollidierenden Partikel den Resonanzwert erreicht.
Im Rahmen der S-Matrix-Theorie existiert das Problem
nicht, ob man Resonanzen »Teilchen« nennen soll oder nicht.
Alle Teilchen werden als Zwischenzustände in einem Netzwerk
von Reaktionen gesehen, und die Tatsache, daß die Resonanzen viel kurzlebiger sind als andere Hadronen, macht sie nicht
zu etwas grundsätzlich anderem. Tatsächlich ist das Wort »Resonanz« ein sehr zutreffender Ausdruck. Es ist sowohl auf das
Phänomen im Reaktionskanal als auch auf das bei diesem Phänomen gebildete Hadron anwendbar und zeigt so die innige
Verbindung zwischen Teilchen und Reaktionen. Eine Resonanz ist ein Teilchen, aber kein Objekt. Es wird besser als Vorgang oder Ereignis beschrieben.
Diese Beschreibung der Hadronen in der Teilchenphysik erinnert an die auf Seite 203 zitierten Worte von D. T. Suzuki:
»Buddhisten fassen ein Objekt als Vorgang, nicht als Ding oder
Substanz auf.« Was den Buddhisten durch ihre mystische Erfahrung der Natur klar wurde, wurde jetzt durch die Experimente und die mathematischen Theorien der modernen Wissenschaft wiederentdeckt. Um alle Hadronen als Zwischenzustände in einem Netzwerk von Reaktionen zu beschreiben,
muß man die Kräfte erklären können, mit denen sie aufeinander einwirken. Diese sind die starken Wechselwirkungskräfte,
die kollidierende Hadronen ablenken oder »streuen«, sie auflösen und zu neuen Strukturen umbilden und Gruppen von ihnen aneinander binden, um gebundene Zwischenzustände zu
bilden. In der S-Matrix-Theorie werden die Wechselwirkungskräfte wie in der Feldtheorie mit Teilchen assoziiert, aber der
Begriff der virtuellen Teilchen wird nicht gebraucht. Statt dessen basiert die Relation zwischen Kräften und Partikeln auf einer speziellen Eigenschaft der S-Matrix, die international mit
dem englischen Ausdruck »Crossing« (»Kreuzen«) bezeichnet
wird. Um diese Eigenschaft zu erläutern, betrachten Sie das
folgende Diagramm, das die Wechselwirkung zwischen einem
Proton und einem Π~ darstellt:
Wird dieses Bild um 90° gedreht und behalten wir die früher
angenommene Übereinkunft bei (s. S. 183), nach der nach unten weisende Pfeile Antiteilchen bezeichnen, so stellt das neue
Diagramm eine Reaktion zwischen einem Antiproton (p) und
einem Proton (p) dar, die als Paar von Pionen aus der Reaktion
hervorgehen, wobei das π + das Antiteilchen des π – in der ur
sprünglichen Reaktion ist.
Die »Kreuzungs«-Eigenschaft der S-Matrix bezieht sich auf die
Tatsache, daß beide dieser Prozesse vom selben S-Matrix-Element beschrieben werden. Das bedeutet, daß die beiden Diagramme lediglich zwei verschiedene Aspekte oder »Kanäle«
derselben Reaktion darstellen.* Teilchenphysiker sind es gewöhnt, in ihren Berechnungen von einem Kanal zum anderen
umzuschalten, und anstatt die Diagramme zu drehen, lesen sie
sie einfach von unten nach oben oder quer von links und sprechen vom »direkten Kanal« und dem »gekreuzten Kanal«. So
wird die Reaktion in unserem Beispiel im direkten Kanal als ρ
+ Π – ρ + Π – gelesen und im gekreuzten Kanal als ρ + ρ
π – +π + .
Die Verbindung zwischen
Kräften und Teilchen wird durch
die Zwischenzustände in den beiden Kanälen hergestellt. Im
direkten Kanal unseres Beispiels können das Proton und das
Π – ein ZwischenNeutron bilden, während im gekreuzten Kanal ein neutrales Zwischen-Pion (π 0 ) auftreten kann.
*
In Wirklichkeit kann das Diagramm noch weiter gedreht werden, und indi
viduelle Linien können gekreuzt werden, um verschiedene Prozesse zu erhalten, die immer noch vom selben S-Matrix-Element beschrieben werden.
Jedes Element stellt insgesamt
Weitere Kostenlose Bücher