Das Tao der Physik
entscheidenden Unterschied. Die
verborgenen Variablen in der klassischen Physik sind lokale
Mechanismen, die in der Quantenphysik nichtlokale. Es sind
augenblickliche und unmittelbare Beziehungen zum Universum als Ganzem. In unserer alltäglichen makroskopischen Welt
sind nichtlokale Beziehungen verhältnismäßig unwichtig, weshalb wir von separaten Objekten sprechen und Gesetze formulieren können, die deren Verhalten mit Gewißheit beschreiben.
Bei kleineren Dimensionen wird der Einfluß nichtlokaler Beziehungen stärker, die Gewißheiten weichen Wahrscheinlichkeiten, und es wird zunehmend schwieriger, irgeneinen Teil des
Universums vom Ganzen zu trennen.
Die Existenz nichtlokaler Zusammenhänge und die daraus
resultierende fundamentale Rolle der Wahrscheinlichkeit ist
etwas, was Einstein niemals akzeptieren konnte. Das war auch
das Thema seiner historischen Debatte mit Bohr in den zwanziger Jahren, bei der Einstein seine Ablehnung der Bohr'schen
Interpretation der Quantentheorie in die berühmte Metapher
kleidete: »Der Hergott würfelt nicht.« 1 Am Ende dieser Debatte mußte Einstein zugeben, daß die Quantentheorie, so wie
sie von Bohr und Heisenberg interpretiert wurde, ein in sich folgerichtiges Gedankensystem darstellte. Er blieb jedoch davon
überzeugt, man werde früher oder später eine deterministische
Interpretation mit Hilfe lokaler verborgener Variablen finden.
Kernstück der Meinungsverschiedenheit zwischen Einstein
und Bohr war Einsteins fester Glaube an eine aus unabhängigen, räumlich getrennten Elementen bestehende äußere Wirklichkeit. Bei seinem Versuch aufzuzeigen, daß Bohrs Interpretation der Quantentheorie nicht stichhaltig sei, ersann Einstein
ein Gedankenexperiment, das dann als Einstein-Podolsky-Rosen (EPR)-Experiment bekannt wurde. 2 Drei Jahrzehnte später leitete John Bell von diesem Experiment ein Theorem ab,
welches nachweist, daß die Existenz lokaler verborgener Variablen nicht mit den statistischen Voraussagen der Quantentheorie in Einklang gebracht werden kann. 3 Beils Theorem versetzt der Einsteinschen Position einen vernichtenden Schlag,
indem es aufzeigt, daß die Vorstellung einer Wirklichkeit, die
aus separaten, durch lokale Beziehungen verbundenen Teilen
zusammengesetzt ist, mit der Quantentheorie nicht vereinbar
ist.
In jüngster Zeit wurde das EPR-Experiment von Physikern,
die sich um eine Interpretation der Quantentheorie bemühten,
mehrfach diskutiert und analysiert, weil es sich geradezu ideal
dazu eignet, den Unterschied zwischen klassischen und Quantenbegriffen aufzuzeigen. 4 An dieser Stelle genügt es, eine vereinfachte Version des Experiments zu beschreiben, das sich auf
zwei Elektronen mit ihrem »Spin« beschränkt und auf der von
David Bohm formulierten umfassenden Darstellung beruht. 5 Um den eigentlichen Kern der Situation zu begreifen, muß man
mit einigen Eigenschaften des »Kreiseins« (spin) eines Elektrons vertraut sein. Das klassische Bild vom Tennisball mit einem Drall reicht nicht wirklich aus, den Spin eines subatomaren
Teilchens zu beschreiben. In gewisser Hinsicht ist der Spin die
Rotation eines Teilchens um seine eigene Achse, doch wie stets
in der subatomaren Physik ist diese klassische Vorstellung nur
begrenzt brauchbar. Im Falle eines Elektrons ist der Spin des
Teilchens auf zwei Werte begrenzt: Die Geschwindigkeit des
Spin ist stets dieselbe, doch kann das Elektron in der einen oder
anderen Richtung, im Uhrzeigersinn oder im Gegensinn, um
eine gegebene Achse rotieren. Physiker bezeichnen diese beiden Werte des Spin oft als »up« und »down« (»auf« und »ab«).
Die entscheidende Eigenschaft eines kreiselnden Elektrons,
die man im Rahmen der klassischen Vorstellung nicht verstehen kann, ist die Tatsache, daß seine Rotationsachse nicht immer mit Gewißheit bestimmt werden kann. So wie Elektronen
die Tendenz zeigen, an bestimmten Orten zu existieren, so zeigen sie auch Tendenzen, um bestimmte Achsen zu rotieren.
Führt man jedoch für eine beliebige Rotationsachse eine Messung durch, so findet man, daß das Elektron in der einen oder
anderen Richtung um diese Achse rotiert. Mit anderen Worten: Das Teilchen erhält im Augenblick der Messung eine bestimmte Rotationsachse; man kann jedoch nicht sagen, daß es
schon vor der Messung um eine bestimmte Achse rotierte. Da
hat es nur eine gewisse Tendenz oder das Potential, das zu tun.
Nach dieser Erklärung des Spin von Elektronen können wir
uns jetzt mit dem EPR-Experiment und dem Theorem
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