Das Tao der Physik
konnten, viele neue Teilchen entdeckt wurden. In
Kapitel 16 wurde beschrieben, daß jedes der ursprünglich
postulierten drei Quarks mit den Eigenschaften (flavours) »auf«, »ab« und »fremd« (up, down, strange) in drei verschiedenen Farben auftreten mußte. Später wurde dann ein viertes
Quark, ebenfalls in drei Farben und mit dem Buchstaben »c«
für »charm« bezeichnet, postuliert. Neuerdings wurden diesem
Modell zwei neue Flavours hinzugefügt, die man mit »t« und
»b« für »top« und »bottom« (»oben« und »unten«) oder poetischer für »true« (wahr) und »beautiful« (schön) bezeichnete.
Damit beträgt die Gesamtzahl der Quarks jetzt achtzehn sechs Flavours zu je drei Farben. Es kann nicht überraschen,
daß einige Physiker diese große Zahl fundamentaler Bausteine
ziemlich unattraktiv finden und daher bereits vorgeschlagen
haben, es sei jetzt an der Zeit, an kleinere, »wahrhaft elementare« Bestandteile zu denken, aus denen die Quarks zusammengesetzt sind...
Während die theoretischen Physiker sich einerseits emsig mit
diesen Theorien und Modellentwürfen beschäftigten, hielten
die Experimentatoren weiter nach freien Quarks Ausschau,
ohne bisher jedoch auch nur ein einziges entdeckt zu haben.
Diese beharrliche Abwesenheit freier Quarks ist zum Hauptproblem des Quarkmodells geworden. Im Rahmen der QCD
hat man diesem Phänomen den Namen Quarkeinschließung
gegeben, womit gemeint ist, daß die Quarks aus irgendeinem
Grunde immer in Hadronen eingeschlossen sind, so daß man
sie niemals zu Gesicht bekommen wird. Man hat bereits mehrere Mechanismen vorgeschlagen, die diese Einschließung der
Quarks erklären sollen, doch wurde bisher noch keine folgerichtige Theorie formuliert.
Das ist also der augenblickliche wissenschaftliche Stand des
Quarkmodells: Um die beobachteten Strukturen im Hadronenspektrum zu erklären, sind offenbar mindestens achtzehn
Quarks plus acht Gluonen nötig. Keines davon ist bisher jemals
als freies Teilchen beobachtet worden, und ihre Existenz als
physikalische Bestandteile von Hadronen würde zu ernsten
theoretischen Schwierigkeiten führen. Man hat zwar verschiedene Mechanismen, mit denen man ihre permanente EinSchließung erklären möchte, entwickelt, doch bietet keiner von
ihnen eine befriedigende dynamische Theorie, während die
QCD, der theoretische Rahmen für das Quarkmodell, sich nur
auf einen sehr engen Bereich von Phänomenen anwenden läßt.
Trotz dieser Schwierigkeiten halten die meisten Physiker weiterhin an der so tief in unserer abendländischen wissenschaftlichen Tradition verankerten Idee grundlegender Bausteine der
Materie fest.
Die eindrucksvollsten Entwicklungen in der Teilchenphysik
der jüngsten Zeit sind wahrscheinlich bei der S-Matrix-Theorie
und dem Bootstrap-Ansatz zu verzeichnen (siehe Kap. 17
und 18). Letzterer akzeptiert keine fundamentalen Einheiten,
sondern versucht, die Natur ganz aus ihrer Gesamtübereinstimmung zu begreifen. Ich habe in diesem Buch deutlich gemacht, daß ich die Bootstrap-Philosophie für den Höhepunkt
des gegenwärtigen wissenschaftlichen Denkens halte, und dabei betont, daß sie in ihrer allgemeinen Philosophie und ihrer
spezifischen Beschreibung der Materie dem östlichen Denken
am nächsten kommt. Zugleich stellt sie einen sehr schwierigen
Zugang zur Physik dar, dessen sich gegenwärtig nur eine kleine
Minderheit der Physiker bedient. Der überkommenen Denkweise der meisten Physiker ist die Bootstrap-Philosophie allzu
fremd, so daß sie diese nicht wirklich schätzen können. Dieser
Mangel an Zustimmung erstreckt sich auch auf die S-MatrixTheorie. Es ist merkwürdig und sehr bezeichnend, daß die
grundlegenden Begriffe dieser Theorie zwar von allen Teilchenphysikern benutzt werden, wenn sie die Ergebnisse von
Streu-Experimenten analysieren, daß jedoch noch kein einziger Nobelpreis an einen der hervorragenden Physiker verliehen
wurde, die in den vergangenen Jahren zur Entwicklung der
S-Matrix-Theorie beigetragen haben.
Die größte Herausforderung für die S-Matrix-Theorie und
die Bootstrap-Methode bestand immer darin, die Quarkstruktur der subatomaren Teilchen zu belegen. Obwohl unser gegenwärtiges Verständnis der subatomaren Welt die Existenz
von Quarks als physikalische Teilchen ausschließt, kann kein
Zweifel daran bestehen, daß Hadronen
Quarksymmetrien
aufweisen, die durch eine erfolgreiche Theorie der starken
Wechselwirkungen erklärt werden müssen. Bis vor kurzem
konnte die Bootstrap-Methode diese
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