Das Tao der Physik
auffallenden Regelmäßigkeiten nicht erklären, doch hat es innerhalb der vergangenen sechs Jahre eine größeren Durchbruch auf dem Gebiet der
S-Matrix-Theorie gegeben. Er führte zu einer Bootstrap-Theorie der Teilchen, mit der die beobachtete Quarkstruktur erklärt
werden
kann, ohne daß dazu die Existenz physikalischer
Quarks postuliert werden muß. Darüber hinaus erhellt die neue
Bootstrap-Theorie eine Anzahl bisher nicht verstandener Probleme. 11
Zum Verständnis des wesentlichen Gehalts dieser neuen
Entwicklung ist es notwendig, die Bedeutung der Quarkstruktur im Rahmen der S-Matrix-Theorie zu klären. Im Quarkmodell werden die Teilchen im Grunde als Billardkugeln dargestellt, in denen sich kleinere Billardkugeln befinden. In der
ganzheitlichen und durch und durch dynamischen S-MatrixTheorie jedoch sieht man die Teilchen als miteinander zusammenhängende Energiestrukturen in einem fortlaufenden universalen Prozeß - als Korrelationen oder Verknüpfungen zwischen verschiedenen Teilen eines untrennbaren kosmischen
Gewebes. In einem solchen Rahmen bezieht sich der Ausdruck
»Quarkstruktur« auf die Tatsache, daß der Energietransfer
und der Informationsfluß in diesem Netzwerk von Vorgängen
längs wohldefinierter Linien verläuft, wobei die mit Mesonen
assoziierte Zweiheit und die mit Baryonen assoziierte Dreiheit
entsteht. Das ist das dynamische Äquivalent zu der Feststellung, daß Hadronen aus Quarks bestehen. In der S-MatrixTheorie gibt es keine genau unterschiedenen Einheiten und
keine grundlegenden Bausteine, sondern nur einen Energiefluß, der gewisse wohldefinierte Strukturen aufweist.
Damit ergibt sich also die Frage: Wie entstehen die spezifischen Quarkstrukturen? Schlüsselelement der neuen Bootstrap-Theorie ist der Begriff der Ordnung als einem neuen und
bedeutsamen Aspekt der Teilchenphysik. Ordnung in diesem
Zusammenhang bedeutet Ordnung in der Verknüpfung subatomarer Vorgänge. Teilchenreaktionen können auf verschiedene Weise miteinander verknüpft werden, weshalb sich verschiedene Kategorien von Ordnung definieren lassen. Die
Sprache der Topologie - den Mathematikern wohlvertraut, jedoch nie zuvor auf die Teilchenphysik angewendet — wird dazu
benutzt, diese Ordnungskategorien zu klassifizieren. Gliedert
man diesen Ordnungsbegriff in den mathematischen Rahmen
der S-Matrix-Theorie ein, dann erweisen sich nur wenige
spezielle
Kategorien geordneter Beziehungen als mit den
wohlbekannten Eigenschaften der S-Matrix vereinbar. Diese
Ordnungskategorien entsprechen genau den in der Natur beobachteten Quarkstrukturen. So erscheint also die Quarkstruktur als eine Manifestation von Ordnung und notwendige
Folge der Gesamtübereinstimmung, ohne daß deswegen
Quarks als physikalische Bestandteile von Hadronen postuliert
werden müssen.
Daß der Ordnungsbegriff zu einem neuen und zentralen Begriff in der Teilchenphysik geworden ist, hat nicht nur einen bedeutenden Durchbruch auf dem Gebiet der S-Matrix-Theorie
bewirkt, sondern kann auch weitreichende Implikationen für
die Naturwissenschaft insgesamt haben. Im Augenblick erscheint die Rolle der Ordnung in der subatomaren Physik noch
mysteriös und nicht voll erforscht. Es ist jedoch interessant, daß
der Begriff der Ordnung - wie auch die drei S-Matrix-Prinzipien (siehe S. 274) - für unseren wissenschaftlichen Zugang zur
Realität eine wirklich fundamentale Rolle spielt und ein ganz
entscheidender Aspekt unserer Beobachtungsmethoden ist.
Die Fähigkeit, Ordnung zu erkennen, scheint ein wesentlicher
Aspekt des rationalen Verstandes zu sein. Jede Wahrnehmung
von Strukturen ist in gewissem Sinne eine Wahrnehmung von
Ordnung. Die Klärung des Ordnungsbegriffs in einem Forschungsbereich, in dem Strukturen von Materie und Strukturen
des Geistes mehr und mehr als wechselseitige Spiegelungen erkannt werden, verspricht, uns faszinierende neue Dimensionen
des Wissens zu erschließen.
Urheber der Bootstrap-Theorie sowie Koordinator und philosophischer Vorkämpfer der S-Matrix-Theorie in den vergangenen zwanzig Jahren ist Geoffrey Chew. Seiner Ansicht nach
kann die Ausdehnung der S-Matrix-Theorie über den Bereich
der Beschreibung der Hadronen hinaus uns erstmalig die Möglichkeit erschließen, auch das Studium des menschlichen Bewußtseins in unsere künftigen Theorien der Materie einzubeziehen. »Ein solcher künftiger Schritt«, schrieb Chew, »würde
wesentlich tiefergreifende Konsequenzen haben als alles, was
im Zusammenhang mit
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