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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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ausdrücken - mithilfe von Mythen, Symbolen, poetischen Bildern
oder paradoxen Sprüchen -, sind sie sich der von Sprache und
»linearem« Denken auferlegten Begrenzungen bewußt. Die
moderne Physik nimmt heute in bezug auf ihre verbalen Modelle und Theorien genau die gleiche Haltung ein. Auch diese
sind nur angenähert und notwendigerweise ungenau. Sie sind
das Gegenstück der östlichen Mythen, Symbole und poetischen
Bilder, und auf dieser Ebene möchte ich die Parallelen ziehen.
Zum Beispiel wird dem Hindu durch den kosmischen Tanz des
Gottes Schiva dieselbe Vorstellung von der Materie vermittelt
wie dem Physiker durch gewisse Aspekte der Quanten-Feldtheorie. Sowohl der tanzende Gott als auch die physikalische
Theorie sind Schöpfungen des Geistes: Modelle zur Beschreibung der intuitiven Wirklichkeitserkenntnis ihres Urhebers.
Jenseits der Sprache 3
    Der Widerspruch, der die gewöhnliche Denkweise so
verwirrt, kommt von der Tatsache, daß wir die Sprache
benutzen, um unsere innere Erfahrung, die in ihrer ganzen
Natur die Linguistik überschreitet, mitzuteilen.
D. T. Suzuki
    Die Probleme der Sprache sind hier doch sehr ernsthafter
Natur. Wir wollen in irgendeiner Weise über die Struktur
eines Atoms sprechen . . . Aber wir können in der gewöhnlichen Sprache nicht über die Atome (selbst) reden.
W. Heisenberg
    Die Vorstellung, daß alle wissenschaftlichen Modelle und
Theorien nur annähernd gelten und daß ihre verbalen Interpretationen immer an der Ungenauigkeit unserer Sprache leiden,
wurde schon zu Beginn dieses Jahrhunderts von den Wissenschaftlern allgemein anerkannt, als eine neue und völlig unerwartete Entwicklung eintrat. Das Studium der Welt der Atome
zwang die Physiker zu erkennen, daß unsere normale Sprache
nicht nur ungenau, sondern zur Beschreibung der atomaren
und subatomaren Wirklichkeit völlig ungeeignet ist. Die Quantentheorie und die Relativitätstheorie, die beiden Grundpfeiler
der modernen Physik, machten klar, daß diese Wirklichkeit die
klassische Logik überschreitet und daß wir in gewöhnlicher
Sprache nicht darüber reden können. Heisenberg schreibt:
    Das schwierigste Problem hinsichtlich des Gebrauchs der Sprache
wird aber durch die Quantentheorie gestellt. Hier gibt es zunächst
keinen einfachen Leitfaden, der uns erlaubte, die mathematischen
Symbole mit den Begriffen der gewöhnlichen Sprache zu verknüpfen. Das einzige, was man zu Beginn weiß, ist die Tatsache, daß
unsere gewöhnlichen Begriffe auf die Struktur des Atoms nicht
angewendet werden können. 1
    Philosophisch betrachtet war dies sicher die interessanteste
Entwicklung in der modernen Physik, und hier liegt eine der
Wurzeln ihrer Beziehung zur östlichen Philosophie. In den
Schulen der westlichen Philosophie waren Logik und logisches
Denken immer die wichtigsten Werkzeuge zur Formulierung
philosophischer Ideen, und das gilt nach Bertrand Russell sogar
für die religiösen Philosophien. In der östlichen Mystik dagegen
war man sich immer darüber klar, daß die Realität über die gewöhnliche Sprache hinausgeht, und die Weisen des Ostens
scheuten sich nicht, die Grenzen der Logik und der normalen
Begriffe zu überschreiten. Darin sehe ich den Hauptgrund dafür, daß ihre Modelle der Wirklichkeit einen geeigneteren philosophischen Hintergrund für die moderne Physik abgeben als
die Modelle der westlichen Philosophie.
    Das Problem der Sprache ist für die östlichen Mystiker genau
das gleiche wie für die moderne Physik. In den beiden zu Anfang dieses Kapitels zitierten Passagen spricht D. T. Suzuki
über Buddhismus 2 und Werner Heisenberg über Atomphysik 3 ,
und dennoch sind die beiden Passagen fast identisch. Sowohl
der Physiker als auch der Mystiker wollen ihr Wissen mitteilen,
und tun sie dies mit Worten, so sind ihre Aussagen paradox und
voll von logischen Widersprüchen. Diese Paradoxa sind charakteristisch für alle mystischen Aussagen von Heraklit bis
Castanedas Don Juan und seit Beginn dieses Jahrhunderts auch
für die Physik.
    In der Atomphysik hängen viele Paradoxa mit der doppelten
Natur des Lichts zusammen oder - allgemeiner - der elektromagnetischen Strahlung. Auf der einen Seite ist klar, daß diese
Strahlung aus Wellen bestehen muß, da sie die bekannten Interferenzerscheinungen hervorrufen, die zur Wellennatur gehören: Gibt es zwei Lichtquellen, so ist die Intensität des Lichtes an bestimmten anderen Orten nicht notwendigerweise die
Summe des von den beiden Quellen ausgehenden Lichtes, sondern sie

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