Das Tao der Physik
ihnen und die
Grundgesetze der Bewegung erschaffen. Auf diese Art wurde
das ganze Universum in Bewegung gesetzt und lief von da an
weiter wie eine Maschine, gelenkt von unveränderlichen
Gesetzen.
Die mechanistische Weltanschauung ist somit eng verwandt
mit einem strengen Determinismus. Die gigantische kosmische
Maschine wurde als kausal und determiniert angesehen. Alles,
was geschah, hatte eine definitive Ursache und eine definitive
Wirkung, und die Zukunft eines jeden Teils des Systems konnte
im Prinzip mit absoluter Sicherheit vorausgesagt werden, wenn
sein Zustand zu irgendeiner Zeit in allen Details bekannt war.
Dieser Glauben kommt am deutlichsten in den berühmten
Worten des
französischen Mathematikers Pierre Simon
Laplace zum Ausdruck:
Ein Intellekt, der zu einem gegebenen Zeitpunkt alle in der Natur
wirkenden Kräfte kennt und die Lage aller Dinge, aus denen die
Welt besteht - angenommen, der erwähnte Intellekt wäre groß genug, diese Daten zu analysieren -, würde in derselben Formel die
Bewegungen der größten Körper im Universum und die der kleinsten Atome erfassen; ihm wäre nichts ungewiß, und die Zukunft wie
die Vergangenheit wären seinen Augen gegenwärtig. 9
Die philosophische Grundlage dieses strengen Determinismus
war die grundsätzliche Trennung vom Ich und der Welt, die
Descartes einführte. Als Folge dieser Trennung glaubte man,
daß die Welt objektiv beschrieben werden könne, d. h. ohne
jemals den menschlichen Beobachter zu erwähnen, und diese
objektive Beschreibung der Natur wurde das Ideal aller Wissenschaften.
Das achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert waren Zeuge
des gewaltigen Erfolges der Newtonschen Mechanik. Newton
selbst wandte seine Theorie auf die Bewegung der Planeten an
und konnte damit die Grundzüge des Sonnensystems erklären.
Sein Planetenmodell war jedoch stark vereinfacht, da es z. B.
die Gravitationseinflüsse der Planeten untereinander vernachlässigte, und so fand er gewisse Unregelmäßigkeiten, die er
nicht erklären konnte. Er löste dieses Problem durch die Annahme, daß Gott im Universum allgegenwärtig sei, um diese
Unregelmäßigkeiten zu korrigieren.
Laplace, der große Mathematiker, stellte sich selbst die ehrgeizige Aufgabe, Newtons Berechnungen in einem Buch zu
verfeinern und zu verbessern, das »eine vollständige Lösung
der großen mechanischen Probleme des Sonnensystems bieten
und die Theorie in so enge Übereinstimmung mit den Beobachtungen bringen sollte, daß empirische Gleichungen keinen
Platz mehr in astronomischen Tabellen finden«. 10 Das Resultat
war ein umfangreiches Werk in fünf Bänden, mit dem Titel Mécanique Céleste, in dem es Laplace gelang, die Bewegungen
der Planeten, Monde und Kometen bis in das kleinste Detail zu
erklären, sowie auch den Wechsel der Gezeiten und andere, mit
der Schwerkraft zusammenhängende Phänomene. Er zeigte,
daß die Newtonschen Bewegungsgesetze die Stabilität. des
Sonnensystems sicherstellten, und behandelte das Universum
als eine sich selbst perfekt regulierende Maschine. Als Laplace
die erste Ausgabe seines Werkes Napoleon vorlegte, soll dieser
gesagt haben: »Monsieur Laplace, man erzählt mir, Sie hätten
dieses umfangreiche Buch über das System des Universums geschrieben, ohne den Namen des Schöpfers auch nur zu erwähnen.« Hierauf antwortete Laplace kurz: »Diese Hypothese benötigte ich nicht.«
Ermutigt durch den glänzenden Erfolg der Newtonschen
Mechanik in der Astronomie wandten die Physiker sie auch auf
die kontinuierliche Bewegung flüssiger und auf die Schwingungen elastischer Körper an, und wieder
funktionierte
sie.
Schließlich konnte sogar die Wärmelehre auf die Mechanik zurückgeführt werden, als klar wurde, daß Wärme die Energie ist,
die durch komplizierte »Zitterbewegungen« der Moleküle erzeugt wird. Wenn z. B. die Temperatur des Wassers erhöht
wird, nimmt die Bewegung der Wassermoleküle zu, bis sie die
sie zusammenhaltenden Kräfte überwinden und auseinanderfliegen. So wird Wasser zu Dampf. Wenn die Warmebewegung
andererseits durch Kühlung des Wassers verlangsamt wird,
ordnen sich die Moleküle schließlich zu einer neuen, festeren
Struktur, dem Eis. Auf diese Art können viele andere thermische Phänomene vom rein mechanistischen Gesichtspunkt
recht gut verstanden werden.
Wasser
Dampf
Eis
Der enorme Erfolg des mechanistischen Modells ließ die Physiker des frühen neunzehnten Jahrhunderts glauben, daß das
Universum wirklich ein mächtiges mechanisches System
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