Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
im Kamin zerbarsten, ließ sie zusammenzucken. Cass kämpfte gegen das Auffluten von Angst an, grub die Fingernägel in ihre Handballen, bis sie schmerzten.
»Nun?«, fragte de Selve ermunternd.
»Es ... Es ist Ambra«, riet sie hastig und blinzelte zu ihrem Ritter hoch. Der Schein des Kaminfeuers in seinem Rücken ließ die Konturen von Antoines Gesicht scharf hervortreten, die schmale Nase, den wie von Künstlerhand gemalten Amorbogen seiner Lippen. Es erinnerte an die versunken blickenden Statuen von Heiligen, die längst verboten und zerschlagen waren.
Es war und blieb das Gesicht ihres Himmels.
Wenn sie erst verheiratet waren, vielleicht konnte er sie sofort nach Frankreich schaffen? Edward liebte de Selve, der König war ein Freund der Barmherzigkeit, und Anne Askew war seine Heilige. Die du nicht bist! Der kalte Dolch der Schuld bohrte sich in ihr Herz.
»Hoffst du, dass es Ambra ist?« De Selves Mund hob sich zu einem seltsamen Lächeln. Es erinnerte ein wenig an Dudleys Lächeln. Nein! Ihre verfluchte Angst spielte ihr einen Streich.
»Ganz sicher«, hauchte Cass und schloss rasch die Augen.
Bei Gott, Antoine war schön, und er liebte sie. Er liebt mich, versicherte sie sich inbrünstig wie im Gebet. Er muss mich lieben!
»Der Duft gefällt dir?«, mischte sich de Selves Stimme sanft wie Balsam in ihre Gedanken.
Cass nickte wie ertappt, bemühte sich um ein schmelzendes »Ja«.
Sie schlug die Augen auf und tastete mit ihren Blicken nach de Selve.
Der träufelte gerade einige Tropfen des seltenen Öls in die Fläche seiner linken Hand, verrieb das Öl mit den Fingern seiner rechten Hand und ließ diese aufreizend langsam in den Bund seiner Hose gleiten.
Cass unterdrückte ein Gefühl des Widerwillens. Warum tat er das? Sie musste sein Begehren auf sich lenken, ihn fesseln, ihm zeigen, dass sie ihn für immer glücklich machen konnte.
»Du hoffst also, dass ich dich wie beim ersten Mal mit Ambra salbe?«, fragte de Selve, während er sich sanft massierte.
Cass nickte. »Bitte, tu es.«
De Selve stöhnte auf und legte den Kopf in den Nacken, doch er streckte seine freie Linke nicht wie sonst nach ihr aus.
»Bitte, Antoine!«, wisperte sie. »Bitte berühre mich wie sonst auch!« Sie sehnte sich nach einem Beweis seiner Begierde, spürte gar, wie sich das Blut im Puls der Lust heiß zwischen ihren Schenkeln sammelte, während ihre Brustwarzen zu Knospen gefroren.
»Repitita non placent, meine kleine Betschwester. Wiederholungen langweilen mich. Du musst noch vieles lernen. Vor allem wahre Hingabe.«
Er rieb sein Geschlecht, schien sich ganz an sich und diesem vermaledeiten Geruch zu berauschen. Beschämt und verwirrt wandte Cass den Blick von ihm ab. Wie konnte er in Gedanken an ihre erste Nacht Langeweile empfinden?
Trotz all ihrer Angst reagierte ihr Körper in Erinnerung daran mit wachsender Lust. Wie dicht lagen Furcht und Erregung beieinander! Cass tastete nach dem neben ihr knienden Geliebten, suchte sein Geschlecht, fühlte, wie es unter seinen Liebkosungen hart wurde.
De Selve schob ihre Hand fort. Weil sie sich ihm zuvor entzogen hatte?
Das Fuchslächeln ihres Vormundes blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Schmal wie ein Messerrücken.
»Antoine, wann kommt der Priester?«, drängte Cass voller Unwillen. Rasch setzte sie hinzu: »Ich möchte dich spüren, ich möchte, dass du dich wieder in mir verströmst. Das wir für immer eins und ganz beieinander sind.«
Wie zur Antwort stöhnte de Selve heftig auf. Neben ihr knisterte das gestärkte Laken, als er aufstand, der Duft verblasste. Cass runzelte die Stirn. Verletzt nahm sie den salzigen Geruch war, der verriet, wie weit er mit sich gegangen war. Und ohne sie. Ihre Brüste schmerzten vor enttäuschter Lust und Scham. Oder war es nur ein weiteres Zeichen dafür, dass sie schwanger war.
»Antoine, bitte, komm zurück!«, bat sie und hasste sich dafür. Nie in ihrem Leben hatte sie um irgendetwas gebettelt, schon gar nicht um Zuneigung. Bei wem auch? »Ich muss ...« Verdammt, jetzt klang sie sogar drängend!
»Du musst? Mon Dieu! Genieße die köstlichen Schmerzen des Verlangens,«, sagte der Marquis. Seine Stimme war spröde wie verdorrtes Leder. »Du warst mit deinen Gedanken die ganze Zeit woanders. Und dabei sagst du, dass du mich liebst.«
Erstaunlich, ihm gelang der Ton des Beleidigten ganz außerordentlich! Und ihr misslang der Ton der Flehenden. Ah, er würde sie noch weiter treiben. Dahin, wohin die Lust sie noch nie
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