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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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mehr hatte. Mit blauschwarzem Gesicht und aus dem Mund quellender Zunge war sie erstickt. Triumphierend hatte man das grotesk anzuschauende Haupt ihrer kaum fünfundzwanzigjährigen Mutter an Stangen durch die City getragen, es anschließend in Kümmelwasser gekocht, um es zu konservieren und auf der London Bridge auszustellen. Diese Ehre würde ihr nicht zuteil werden, dafür würde sie noch jünger sterben – und mit ihr ein Kind.
    Cass betastete das Messer. Noch stehe ich nicht am Brandpfahl. Ich werde nicht lautlos sterben wie eine Märtyrerin. Wieder hämmerte Cass’ Herz gegen ihre Rippen. Nein, als Bettschatz!, höhnte es in ihr.
    Urplötzlich zog der Spanier sie beiseite, um Platz für einen Kerzenpagen zu machen, der heruntergebrannte Talglichter aus den Wandhalterungen riss. Er blies sie aus und warf sie zu anderen Wachsresten in einen Korb, um sie später zu neuen Lichtern zusammenzuschmelzen.
    »Geh schneller!«, zischte der Spanier und stieß sie in die Mitte des Korridors zurück.
    Das scharrende Geräusch von Reisigbesen verriet, dass alte Bodenstreu aus Rosmarin und Schilf aus den Fensternischen gekehrt wurde, in denen sich niedere Höflinge erleichterten oder nach durchzechter Nacht zusammenrollten. Ein aufgestörter Schläfer grunzte, ließ einen Wind ab und fragte nach der Stunde.
    »Fünf hat’s geschlagen«, brummelte eine Greisenstimme und setzte nach genau kalkulierter Pause ein »Sir« hinzu.
    Der Hof erwachte. Niemand scherte sich darum, wohin eine Zofe geführt wurde, die den König betrogen, gedemütigt und verraten hatte. Erst am hellen Morgen würde sie das Geschwätz der Empfangssäle sein. Nein, nicht einmal das. Die Lücke, die sie hinterließ, würde sich unbemerkt schließen. Es sei denn, dass sie Gelegenheit fände, einen ihrer Bewacher zu töten, und dass de Selve ihr wirklich zu Hilfe käme.
    Sidney bog zu Edwards Gemächern ab. Der sich anschließende Korridor war erfüllt von Lavendelduft. Cass’ Ledersohlen versanken in lilafarbenen Blüten. Sie galten als heilsam und reinigend, weshalb man das Kraut dick wie einen Teppich vor Edwards Räumen verstreute. Konnte es sein, dachte sie mit einem aberwitzigen Anflug von Hoffnung, dass dies nur ein Gang zum König war?
    Nein. Nicht zu dieser Stunde und nicht in ihrem Aufzug, mit offenem Haar, in den Gewändern einer Kurtisane. Und mit dem Spanier im Rücken. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Nacken spüren.
    Sidney blieb abrupt stehen und drehte den Kopf nach allen Seiten. So wie es Höflinge taten, die etwas mitzuteilen wünschten, das über bloße Konversation hinausging.
    Endlich wandte er sich ihr zu. Sein Gesicht war ein Schatten.
    »Ich muss zurück zum König, Jungfer Cass. Mein Begleiter wird Euch den Weg hinaus zeigen«, flüsterte er verschwörerisch.
    »Hinaus«, erwiderte Cass ungläubig.
    Statt zu antworten, schob Sir Henry eine schwere Draperie zur Seite. Dahinter erkannte sie einen Mauerspalt, kaum breit genug, um sich seitwärts hineinzuzwängen.
    »Dieser Gang führt in die Gärten beim Fluss. Ein Themseschiffer wartet auf Euch. Die Flut schwillt ihrem Scheitelpunkt entgegen. In etwas weniger als einer Stunde könnt ihr London Bridge erreichen. Fragt dort nach Lunetta van Berck. Nennt keinen Namen, stellt Euch nur als die neue Magd vor.«
    »Lunetta van Berck«, wiederholte Cass verwirrt.
    »Die Frau eines deutschen Fernhändlers. Ihr könnt ihr vertrauen. Sie wird Euch zu einer Flucht auf das Festland verhelfen. Sie und ihr Mann haben schon vielen englischen Katholiken das Leben gerettet.«
    »Katholiken? Aber ich ...«
    »Fragt nicht länger, geht.« Sidney fasste Cass beim Arm und schob sie auf die schmale Öffnung zu.
    »Ihr wisst, wer meine Mutter war. Und wofür ich stehe ...«
    »Tut ihr das tatsächlich?«, fragte Sidney kühl.
    Cass nickte trotzig. »Ja! Warum also wollt Ihr mir helfen, wenn Ihr es anscheinend mit den Katholiken haltet?«
    Kurz brannte Ärger in Sidneys Gesicht auf, dann verschloss sich seine Miene. »Es ist gleichgültig, was ich bin. Ich helfe Euch, weil die Barmherzigkeit es befiehlt und weil seine Majestät, der König, es wünscht.«
    »Heißt das, Edward weiß, dass ich und de Selve ...?«
    »Man hat Euch gewarnt, oder?«, sagte Sidney, sein Blick glitt zu dem Spanier in ihrem Rücken. »Der König fragte heute um Mitternacht nach euch. Sollte ich einen Schwerkranken belügen?«
    »Edward ...« Cass schluckte und reckte tapfer das Kinn. »Er muss mich verabscheuen.«
    »Es scheint,

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