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Das taube Herz

Titel: Das taube Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Richle
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die eingebauten Materialien. Stattdessen erfuhr er, dass im Atelier Falquet eine Aushilfe gesucht wurde. Wo und wie ausgeholfen werden sollte, war nicht vermerkt. Im Haushalt? Für den Unterricht der Kinder? Für das Liefern von bestellten, fertiggestellten Schmuckuhren? Für den Unterhalt der Werkstatt? Dieser Zettel musste schon seit Wochen hier gelegen haben, denn der Staub hatte sich in der ganzen Vitrine breitgemacht. Jean-Louis zog an der Hausklingel.
    Maître Falquet war ein kleiner, rundlicher, struppiger Mann. Das krause Haar hatte sich vom Schädel zurückgezogen, um dort eine glänzende Halbkugel zurückzulassen, wucherte stattdessen überall sonst, über den Augen, an den Backen, in der Nase, auf den Handrücken, den Fingern, rund um den Hals bis hinauf zu den Ohren. Dort steckte ein Griffel, den Maître Falquet anscheinend immer bei sich trug. Im rechten Mundwinkel hing, als Gegengewicht sozusagen, eine schmauchende Pfeife.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Maître Falquet mit einer Stimme, die so kratzte, wie sein Blick Misstrauen versprühte.
    »Darf ich mich vorstellen, Sovary Fils, Constructeur aus Le Locle, Hersteller von Rohlingen für Pendeluhren aller Art, Standuhren in allen Größen, einfache und geschmückte Zimmeruhren; auf Wunsch fertigen wir jedes Format und jede Ausstattung, von der mannshohen Turmuhr bis zur kleinsten Schmuckdose. Wir integrieren Schnitzereien, allerlei Kunsthandwerk, und wir konstruieren auf Wunsch und nach Plan alles, was die feinste Kunstschreinerei ermöglicht.«
    Maître Falquet schaute noch misstrauischer und zog an
seiner Pfeife. »Holz interessiert mich nicht!«, fauchte er verachtend und wollte die Tür bereits wieder schließen.
    »Und wie steht es mit kleinen Schatullen, Puderdosen, kleinen Holzfiguren aller Art, Tieren, Persönlichkeiten, Monumenten? Haben Sie schon an Schmuckdosen gedacht, die nicht nur Musik spielen, sondern auch noch die Zeit anzeigen und je nach Jahreszeit eine andere Melodie spielen können?« In Sekundenschnelle entwickelten sich in Jean-Louis’ Kopf ganz neue Wirtschaftszweige, die er der Werkstatt seines Vaters und der seinen schließlich eröffnen würde, denn sein Vater, das wusste Jean-Louis, war von der Konstruktion der traditionellen Pendeluhrgehäuse nur schwer abzubringen. Aber das musste nichts heißen, Jean-Louis sah der Miniaturschreinerei keine Grenzen mehr gesetzt, und es war für ihn vielleicht sogar eine Möglichkeit, sich neben seinem Vater einen Platz zu schaffen.
    »Was bist du denn für einer?«, zischte Maître Falquet beinah spöttisch.
    »Ihrer Rose, Herr Falquet, gilt meine ganze Bewunderung. Würden Sie mir erlauben, von ihr einen etwas genaueren Augenschein zu nehmen? Die Tischlerei, die hochspezialisierte Möbelschreinerei, ist das Fachgebiet meines Vaters, meine persönlichste Passion gilt der Mechanik und der Uhrenmechanik im Speziellen. Mit Verlaub, ein so kunstvoll ausgearbeitetes Objekt ist mir weder bei unseren Uhrmachern noch bei den Meistern in La Chaux-de-Fonds je begegnet.«
    Das Wort »Mechanik« löste bei Maître Falquet eine eigenartige Reaktion aus. Sein Mund öffnete sich leicht, so dass die Pfeife sich aus seinem Mundwinkel zu lösen und herunterzufallen drohte, die krausen Haarbüschel über
seinen Augen hoben sich, und für kurze Zeit waren seine Augen wie zu einem vorzeitigen Waffenstillstand bereit.
    »Tritt ein, mein Junge!«, forderte er Jean-Louis auf und lotste ihn in seine Werkstatt.
    Was Jean-Louis hier vorfand, übertraf alle seine Vorstellungen und Erwartungen. Die Erinnerung an die imposante Werkstatt seines verehrten Meisters Jaquet-Droz verblasste augenblicklich zu einem kleinen Uhrmacheratelier. Die Wände waren rundum mit Regalen verstellt, in denen dicht über-, hinter- und nebeneinander verschiedene Metalle in allen Formaten und Durchmessern lagen, Federn in allen Größen, Zahnräder und Deichseln, verschiedene undefinierbare Emailrohlinge, Intarsien bestückte Schatullen, Dosen, Ringe und Broschen, Armbänder und verschiedene Nadelformen. Das Regal der Seitenwand neben dem Fenster war mit einer ganzen Reihe fertiger Schmuckstücke gefüllt. Zwei weitere Rosen, Ringuhren in allen Farben und Formen standen da, eine Pistole mit Fingerabzug und kleinem Zifferblatt lag unfertig auf dem unteren Regal, ein kleiner Springbrunnen mit Neptun in stolzer Positur, Broschen in allen Größen, Formen und Farben, in Gold und in Silber, mit und ohne Emailzifferblatt; kleine und

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