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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Bleibe für die Nacht.«
    Das klang verheißungsvoll, und als am nächsten Wochenende die Sonne schien, fuhren sie los. Sie rollten durch das weite Land, dem Süden zu, kamen durch fruchtbares Bauernland und verbrachten die Nacht in einer kleinen Stadt; tagsüber picknickten sie abseits von den großen Straßen. Erfrischt von der guten Luft und schläfrig kam Lucy heim. Aber am Montag darauf war sie genauso unlustig wie zuvor. »Am nächsten schönen Wochenende probieren wir’s nochmal«, sagte sie, beunruhigt von ihrer Rastlosigkeit.
    »Heute fahren wir nach Norden«, schlug sie vor. Nach einer Fahrt von hundert Meilen trafen sie auf ein uraltes, altmodisches Haus, ein Bauernhaus mit einer großen Veranda und niedrigen Fenstern. Es stand abseits der Straße. Ein besonderer Schmuck waren die alten Bäume; sie standen auf dem großen Rasen, wo das Gras seit langem nicht gemäht war. Das Haus war leer; die Fenster waren staubig und voller Spinnweben; es machte einen ungepflegten Eindruck.
    An dem Torpfosten hing, von Efeu und Kletterrosen fast verdeckt, ein Schild: »Zu verkaufen.«
    »Was für ein entzückendes Haus!« rief Vicky. »Schau, es ist nicht bewohnt. Laß uns unter den Bäumen Rast machen. Da sieht uns keiner.«
    »Das ist verboten. Das Haus steht zum Verkauf. Was sollen wir tun, wenn jemand kommt und es anschauen will?«
    »Na, da sagen wir einfach, wir wollten es ebenfalls ansehen und es gegebenenfalls kaufen.«
    »Das sagst du! Aber ich glaube auch, daß es nicht so schlimm ist. Es sieht nicht so aus, als ob sich die Leute darum reißen würden. Ich möchte wetten, daß sich seit Monaten keiner darum gekümmert hat.«
    Sie fuhren den Wagen durch das Tor und stellten ihn auf der kurzen Auffahrt ab. Lucy stieg aus und betrachtete das Haus. Es sah wie das Farmhaus aus, in dem sie als Kind gelebt hatte. Alle die Kindheitserinnerungen, die sie in letzter Zeit so bedrängt hatten, wurden wieder in ihr lebendig. Doch dann wandte sie sich achselzuckend ab. Es gab unzählige solcher alten Häuser, die zu altmodisch waren, um das Interesse moderner Käufer zu finden. Doch sie waren so solide gebaut, daß sie dem Zerfall trotzten.
    Vicky war außer sich vor Entzücken. »Ist das nicht ein wonniges altes Haus? Es ist so romantisch! Völlig anders als die Dinger, die sie heutzutage bauen. In so einem Haus möchte ich wohnen.«
    Lucy dachte entschieden praktischer. »Du würdest dich sehr bald nach dem modernen Komfort sehnen.«
    Vicky spähte durch die Fenster ins Innere. »Sieh doch, sie haben sogar elektrisches Licht. Wahrscheinlich führt eine Überlandleitung in der Nähe vorbei. Da wollte das nette alte Ehepaar, das hier wohnte, auch modern sein.«
    »Welches alte Ehepaar?«
    »Ganz bestimmt wohnten hier eine Art Philemon und Baucis. Sie hatte weißes Haar und hellblaue Augen. Er hinkte ein wenig, weil er im Ersten Weltkrieg verwundet wurde. Sie liebten dieses Haus und...«
    »Und wovon lebten sie? Man braucht ein ganz nettes Einkommen, um so ein Haus zu unterhalten.«
    »Na ja, sie hatte etwas Vermögen, und er bezog eine Pension. Aber als sie starb, mochte er hier nicht allein bleiben. Er zog in die Stadt, zu seiner verheirateten Tochter, doch...«
    »... er grämte sich allzu sehr und starb«, beendete Lucy kaltherzig die Geschichte. Es war zu komisch, wie schnell sich Vickys Phantasiegeschöpfe in Personen von Fleisch und Blut verwandelten. Kein Wunder, daß sie sich so gern in kleinen Schwindeleien erging! Sie glaubte an ihre eigenen Geschichten.
    »Ja«, stimmte Vicky betrübt zu. »Und deshalb steht das Haus zum Verkauf.«
    Sie machten es sich in einer Ecke der breiten Veranda gemütlich und verzehrten ihren Lunch. Die Frühlingssonne hatte schon viel Kraft, aber die hohen Bäume spendeten einen flirrenden Schatten, und die jungen Blätter schienen zu tanzen.
    »Man möchte nicht glauben, daß wir so nahe an der Autostraße sind, so still ist es unter diesen schönen Bäumen«, meinte Vicky. »Man fühlt sich wie auf dem tiefsten Land, statt nur zehn Meilen von der Stadt, wie wir am letzten Straßenschild gesehen haben... Was ist das für ein Geräusch?«
    »Das sind die vorbeifahrenden Autos«, erwiderte Lucy kurz. Sie war entschlossen, sehr kritisch zu sein; denn das alte Haus hatte für sie etwas seltsam Rührendes. »Man kann sie nicht sehen, und auf dem Asphalt machen sie auch keinen Staub. Nein, ich glaube, du hast recht; das ist ein anderes Geräusch. Es klingt wie Wasserrauschen. Es muß ein

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