Das Teehaus im Grünen
heutzutage wollen die Leute so etwas nicht haben. Der Besitzer ist sehr heikel. Er will es nicht vermieten. Hier wird jetzt viel gebaut. Wenn meine Tankstelle fertig ist, kommt eine Stadthalle dran. Der Bauunternehmer wollte das Haus für seine Arbeiter mieten; für die wäre es praktisch gewesen, wenn sie dort mit einem Koch hätten hausen können. Das hätte ihnen eine Menge Fahrerei erspart. Aber Mr Seymour, so heißt der Besitzer, wollte nicht darauf eingehen. Er sagte, das Haus würde dabei höchstens ramponiert. So müssen die Männer immer von Homesward hin und her fahren, und das ist recht lästig.«
Vicky hatte Verständnis für den unbekannten Besitzer. Eine schreckliche Vorstellung: Eine Horde von Arbeitern, die in dem schönen Bau hausten, in dem vornehmen großen Raum ihr Bier tranken, ihre Zigarettenstummel auf den Boden fallen ließen und ihren Abfall zum Fenster hinauswarfen... Sie fragte: »Sie errichten hier einen großen Komplex. Wollen Sie auch einen Tea-Room und eine Service-Station einrichten?«
»Auf keinen Fall. Aber ich brauche dringend eine Reparatur-Werkstatt. Reparaturen gibt es hier viele, und ich habe einen ausgezeichneten Mechaniker. Sogar aus Homesward bringen die Leute ihre Wagen zum Überholen. Aber einen Tea-Room richte ich nicht ein, obgleich oft genug Leute reinkommen, die ein Eis haben möchten oder eine Limo, wenn sie droben bei den Wasserfällen gewesen sind.«
»Werden die Wasserfälle viel besucht? Sie sind wundervoll!«
»Freilich, wenn man für solches Zeug Interesse hat. Ich komme aus Australien, und ich finde euern Wald ziemlich düster. Aber es gehen eine Menge Leute hin, und nachher kommen sie hier herein und möchten einen Tee trinken. Aber ich bin Junggeselle. Was sollte ich mit einem Tea-Room anfangen?«
Als sie zurückfuhren, warfen sie noch einen sehnsüchtigen Blick auf den schattigen Steig, der zu den Wasserfällen führte, und als sie das Haus hinter den Bäumen passierten, fuhr Lucy ganz langsam. Vicky meinte: »Wenn einer ein bißchen Unternehmungsgeist hätte, würde er hier einen Tea-Room einrichten. Die Leute, die von dem beschwerlichen Aufstieg zurückkommen, würden bestimmt gern unter den Bäumen oder auf der Veranda sitzen.«
»Es dürfte ziemlich schwierig sein, hier draußen eine Hilfe zu finden«, stellte Lucy fest. »Trotz der vielen Leute, die hier in der Nähe arbeiten, ist es bestimmt recht langweilig.« Aber sie hielt doch für einen Augenblick den Wagen an. Mit einem ungeduldigen Seufzer sagte sie dann: »Homesward wollen wir uns ein andermal anschauen. Laß uns jetzt lieber heimfahren und uns auf die Tretmühle von morgen vorbereiten.«
Das war schließlich ihr Leben. Es hatte keinen Sinn, sich nach verlassenen Häusern in verwilderten Gärten zu sehnen. Ihre Mietwohnung war hübsch und bequem, und an den Stadtlärm unter den Fenstern konnte man sich gewöhnen. Aber das Rauschen der Wasserfälle ist doch schöner, gestand Vicky sich unterm Einschlafen.
»Lucy, wenn ich Geld hätte, würde ich das Haus kaufen.«
»Und wovon würdest du leben?«
»Ich würde einen Tea-Room einrichten. Der Mann an der Tankstelle würde uns Gäste schicken. Wir könnten auch ein Schild am Gartentor anbringen mit einer großen Teekanne drauf.«
»Und uns daruntersetzen und die Leute hereinlocken? Wir haben aber kein Geld; vielleicht ist das ein Glück. Und du kommst heute zu spät ins Büro, wenn du dich nicht beeilst.«
Doch zwei Wochen später, als die Frühlingssonne so warm und verlockend schien, fuhren sie wieder nach Norden. Lucy murrte zwar, es wäre nicht besonders interessant, einen Ort zweimal aufzusuchen, aber das Haus hatte für beide eine seltsame Anziehungskraft. »Ich glaube, es freut sich, wenn wir kommen«, erklärte Vicky gefühlvoll. »Schließlich hat seit ewigen Zeiten niemand seinen Spaß daran gehabt.«
Dieses Mal waren sie schon kühner; sie parkten vor der Veranda und fühlten sich ganz wie zu Hause.
Nach dem Lunch holte Lucy ein Buch hervor, setzte sich hinter dem Haus ins Gras, lehnte sich an einen Baum und versuchte zu lesen. Sie kam nicht sehr weit, sondern blickte durch die Zweige zum Himmel hinauf und faßte neue Entschlüsse. Sie wollte diese blödsinnige Depression abschütteln und Gordon aus ihren Gedanken verbannen, da er aus ihrem Leben verschwunden war; sie wollte sich wieder in ihre Arbeit stürzen, mit Vicky ins Kino und ins Theater gehen und nicht mehr hierherkommen, um unter den Bäumen Trübsal zu blasen und
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