Das Teehaus im Grünen
Woche ihren Tea-Room eröffnen zu können. Vicky konnte es kaum mehr erwarten, aber Lucy hatte Angst.
»Das Dumme ist, daß der größte Teil der schweren Arbeit dir zufällt. All die Backerei — für so was hab ich gar kein Geschick.«
»Aber dafür kannst du anderes um so besser. Mach dir über das Backen keine Gedanken. Es ist komisch, aber wahr: ich tue es gern. Es ist eine Art Selbstbestätigung für mich, wie für Nan das Nähen und Len das Malen. Du weißt doch, daß mir das Frühaufstehen nichts ausmacht. Meine Tante sagte einmal boshaft, das wäre meine beste Eigenschaft. Gleich in der Frühe mache ich mich ans Backen, und du kannst die anderen gräßlichen Dinge tun, zum Beispiel die Tische decken und abspülen.«
»Wenn wir nur wenigstens eine Gefriertruhe hätten! Dann könntest du eine Menge im voraus machen... Aber die können wir uns jetzt natürlich noch nicht leisten. Außerdem glaube ich, anfangs werden noch nicht viele kommen. Ich kann auch nicht glauben, daß wir viele Dauergäste kriegen, trotz des prächtigen Schildes, das Len für uns malt.«
Das Schild versprach allerdings überwältigend zu werden. Len wollte seine ganze Kunst hineinlegen, und sie verfolgten den Werdegang mit Ehrfurcht. Es nahm jetzt den Platz der wild bemalten Leinwand ein, die Lucy seinerzeit gesehen hatte. Len verschwendete sein ganzes Herz an dieses Werk und dazu noch eine Menge Farbe. Wenn sie ihn besuchten, um die Entwicklung zu beobachten, saß er mit schief geneigtem Kopf, zierlich seinen Pinsel haltend, davor, und sein Gesicht war wahrhaft glücklich. Sobald er sie entdeckte, verdüsterten sich seine Züge; widerwillig kam er hinter den Ladentisch, um ihre Bestellungen entgegenzunehmen. Er schien wirklich höchst ungern etwas zu verkaufen.
Um ihn aufzuheitern, sagte Lucy: »Das Schild, das Sie für uns malen, wird einfach wundervoll, Mr. Swales. Das müssen ja alle bemerken.«
Niedergeschlagen sah er sie an. »Sie werden es überhaupt nicht bemerken, und wenn sie es doch sehen, werden sie nicht halten. Sie werden in die Stadt rasen und sich in so einer Milchbar, in der eine Musik-Box spielt, eng zusammenhocken.«
Es klang, als ob er von Sodom und Gomorrha redete, und Vicky lachte.
»Das werden sie nicht tun, wenn sie erst gemerkt haben, wieviel schöner es ist, seinen Tee auf dem Rasen unter den herrlichen alten Bäumen zu trinken.«
»Wahrscheinlich fallen ihnen da Käfer in den Halsausschnitt, oder noch ärger: die Vögel lassen etwas in die Milch fallen. In einer Milchbar kann einem das nicht passieren.«
»In unsere Milch wird auch nichts hineinfallen«, sagten sie und verlangten unbeeindruckt von seinen düsteren Prognosen Mehl, Butter und Zucker. Er wog alles ab und brummelte dabei, mit all diesem Zeug könnten sie wohl kaum viel anfangen, sie würden gewiß mit Pennies zufrieden sein müssen, denn Pfunde könnten sie kaum einnehmen. Während er so lamentierte, trat seine Frau in den Laden, begrüßte sie freundlich und sagte frisch: »Jetzt hör doch auf mit dem Unsinn, Len! Du weißt ganz genau, daß du schon seit Wochen allen Reisenden und anderen Kunden von dem großartigen Tea-Room erzählt hast, der hier eröffnen wird. Du bist ja selbst ganz wild dahinter her.«
Vicky versuchte sich vorzustellen, wie Len ganz wild hinter etwas her sei. Len murmelte schuldbewußt, daß das alles doch keinen Sinn hätte. Heutzutage hörten die Menschen überhaupt nicht zu, wenn man ihnen etwas erzählte, und wenn sie doch zuhörten, vergäßen sie alles im Nu. Seine Frau lächelte nur; sie hatte gehört, wie er zu den Bauarbeitern sagte, sie brauchten dann nicht mehr auf ihren Tee zu warten, bis sie daheim seien. »Für Sie tut er alles!«
»Er malt bestimmt ein wundervolles Wirtshausschild«, sagte Lucy tapfer. Sie blickte bewundernd auf den gewaltigen, leuchtend goldenen Teekessel, der von lustigen rosa und grünen Tassen flankiert war; in riesigen Buchstaben wurden »Erstklassige Speisen« angepriesen. Ein wenig unbehaglich dachte sie daran, was wohl Mr. Seymour zu dieser Reklame vor seinem alten Familienbesitz sagen würde. »Es macht mächtigen Eindruck«, meinte sie. »Es wird sicher ein Riesenspaß am Eröffnungstag. Die Leute kommen bestimmt schon wegen des Schildes. Wir haben natürlich auch eine Anzeige in der Zeitung, aber das Schild wird die Leute hereinlocken.«
Len war sichtlich befriedigt; dennoch murmelte er, daß man wahrscheinlich den ganzen Tag umsonst warten würde, weil keine Seele käme.
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