Das Teehaus im Grünen
mir gehört und glauben, ich wäre für schwere Arbeiten nicht geschaffen?«
Vicky konnte ihn beruhigen. »Er hat Sie überhaupt nicht erwähnt. Aber Nan hat uns erzählt, daß Sie fast wie ein Bruder zu ihr sind.«
»Arme Nan! Ausgerechnet Dan Ireland muß bei ihr für Ablenkung sorgen! Aber das Gras können Sie einstweilen so lassen. Ich werde das nächsten Samstag erledigen. Wenn mein Chef das sähe oder gar Vetter Jack!«
Er winkte ihnen lustig zu und war gleich darauf verschwunden. »Der ist ja ulkig«, stellte Vicky fest. »Und freundlich und hilfsbereit ist er auch. Eine richtige Erholung nach dem grausigen Seymour, nicht wahr?«
»Du findest ihn nett? Ja, wenn du für die hübschen, selbstgefälligen Typen schwärmst, die nach allen Seiten ihren Charme versprühen. Ich persönlich ziehe Jack Chisholm vor; die Art, wie Dan von seinem Vetter sprach, gefiel mir nicht. Ich mag die Männer nicht, die andere Männer schlecht machen.«
»Vermutlich hast du recht. Aber als James Seymour weg war, hatte ich das Gefühl, ich wäre eine richtige Niete. Na, Dan hat Notiz von uns genommen; er guckt nicht zwischen uns durch oder über unsere Köpfe hinweg.«
»O ja, Dan Ireland ist genau der Typ, der stets von jedem Mädchen Notiz nimmt«, bemerkte Lucy. Vicky lachte und fand sie überkritisch. Sie sollten beide froh sein, daß einer in der Nähe war, der ein bißchen Spaß verstand. Eben einer, der sie zu schätzen wußte.
6
»Glaubst du, daß Dan wirklich das Gras mäht?«
»Verlassen möchte ich mich nicht gerade drauf«, war Lucys entmutigende Antwort. »Es kommt darauf an, welchen Eindruck du auf ihn gemacht hast.«
Augenscheinlich war es ein guter Eindruck gewesen, denn Dan erschien in aller Frühe, mit einer Sense bewaffnet, und machte sich mit voller Kraft ans Mähen. Natürlich vertat er allerhand Zeit mit Lachen und Scherzen, aber das störte keinen. Bei der Frühstückspause sagte er mit seinem hinreißenden Lächeln: »Wie herrlich für Nan, daß sie so entzückende Nachbarinnen hat. Wenn man erst zweiundzwanzig Jahre alt ist, findet man das Landleben ziemlich langweilig.«
»Ach, ich weiß nicht recht«, wandte Vicky ein. »Es gibt hier doch viele nette Nachbarsleute. Es ist nicht wie in der Stadt. Und Jack ist doch meist auch in der Nähe.«
»Ach, Jack!!« Das klang verächtlich, aber Dan bemerkte den ablehnenden Ausdruck in Lucys Gesicht und fügte schnell hinzu: »Natürlich ist Jack ein fabelhafter Kerl, aber er ist schon sechsunddreißig und sehr engherzig. Er hat zu viel Ähnlichkeit mit ihrem ehrfurchtgebietenden Vater, der eigentlich fast ein Fluch für die Familie war. Nan hat genug Strenge erdulden müssen; sie braucht jetzt ein bißchen Vergnügen.«
»Gewiß, er ist nicht mehr der Jüngste, aber er hat einen hervorragenden Charakter.«
»Das ist wie mit dem Salz der Erde: man kann auch mal ein bißchen zuviel Salz in seiner Diät haben. Na, ich bin vielleicht voreingenommen. Jack schätzt meinen Humor nicht. Das kann man ihm nicht übelnehmen. Im übrigen ist er ein Dickkopf.«
Lucys Sympathie galt Jack. Dan war reizend und sehr hilfsbereit bei der Arbeit mit dem Rasen, aber sie hätte nicht um alles von ihm abhängig sein mögen. Sie hätte ihm auch nicht allzuviel Vertrauen schenken wollen. Er schien eine gleichsam heitere Gewissenlosigkeit zu haben. Sie wechselte das Thema und sprach von dem Tea-Room.
»Eine großartige Idee. Wenn ihr beiden Mädchen den betreibt, wird er gleich in Schwung kommen. Für die Leute in Homesward wird es ein Riesenspaß sein, hier herauszufahren, und die Arbeiter von den Neubauten kommen bestimmt auch immer rein. Sie brauchen noch ein paar Tische mit hellen Sonnenschirmen; die stellen Sie an heißen Tagen unter die Bäume. Zu diesem Zweck muß der Rasen aber prima in Ordnung sein.«
Er brauchte den ganzen Tag zu seiner Arbeit und blieb auch zum Dinner bei ihnen. Beim Kaffee nach dem Essen sagte Vicky: »Dieser Mr. Seymour ist ein merkwürdiger Mann. Sie kennen ihn doch, nicht wahr?«
»Nur allzu gut! Ich verdiene meine Brötchen in seiner Kanzlei.«
»Mögen Sie ihn?«
»Wer kann James Seymour schon mögen? Natürlich, er ist ein rechtschaffener Mann. Außerordentlich rechtschaffen, aber auch außerordentlich mürrisch. Ich bin mit meinem Schicksal nicht gerade unzufrieden, aber ich bin ja auch erst seit einem Jahr in seinem Büro. Es kommt mir vor, als wären es zehn! Es ist gräßlich langweilig.«
Lucy fühlte sich
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